Peter Metzger Architekt , Möhlin
Hie und da wird man von Auswärtigen mal gefragt, wo in Möhlin eigentlich das «Zentrum» sei. Nun - natürlich haben wir ein Zentrum: Gemeindehaus, Post, Banken, einen Kebabladen, weiter unten eine Kirche und in Sichtweite die Dorfkirche. Dorfaufwärts Coiffeur- und Spielzeuggeschäfte und der Denner (die übrigen Grossverteiler sind etwas weiter weg), und seit einiger Zeit einen Antiquitätenladen und einen Dönerwagen – kurz, eigentlich alles, was das Herz begehrt. Da soll noch einer kommen und sagen, wir hätten kein Zentrum! Ja, haben wir doch!
Nur – es sieht halt alles so gar nicht nach «Zentrum» aus. Dem will man nun aber mit dem Gestaltungsplan «Mitteldorf» zu Leibe rücken. Mitte Januar wurde in der Presse angezeigt, dass vom 14.Januar bis 14. Februar 2022 alle relevanten Planunterlagen am Schalter der Abteilung Bau und Umwelt eingesehen werden können. Zusätzlich sind diese auch auf der Internetseite der Gemeinde publiziert (www.moehlin.ch).
Als Mitglied der Kommission kenne ich diese Akten einigermassen, habe sie am Bildschirm aber brav nochmals durchgeklickt und war erneut ergriffen über die Unmengen von Banalitäten, welche da auf total 34 Seiten zusammengetragen werden. Da gibt es mehrfach die Feststellung, dass der Gewässerraum des Möhlinbaches auf einer Breite von 22 Metern nicht überbaut werden dürfe (Seiten 7, 9, 16...), oder dass eine gute Anbindung des Planungsgebietes an das Fuss- und Velonetz Richtung Zentrum (!) und Bahnhof anzustreben sei (Seite 10), oder dass es keine kantonale Radroute gebe, welche für das Planungsgebiet relevant sei... Die Feststellung, dass die Lärmbelastung grossmehrheitlich deutlich unter den Immissionsgrenzwerten liege, und dass es lediglich lokale Gefähr-
dungen durch sich sammelndes Oberflächenwasser gäbe, wirken immerhin beruhigend (Seiten 17, 18).
Nach all den formalen Seitenfüllern würde es einen aber nun wirklich wunder nehmen, wie sich das «Mitteldorf» denn anfassen, also ansehen würde. Toll, auf Seite 20 kommen dann die schönen Bilder: Ein Verschnitt aus Emmentaler Bauernhausgiebeln und Heile-Welt-Fassaden gegen die Strasse, hübsch und gekonnt dargestellt, und der Kirchturm von Sankt Leodegar grüsst auch noch durch den blauen Dunst herüber. So weit die Darstellungen im Internet, dazu gehören auch noch ein paar Pflanzenbilder aus dem Katalog des Verbandes Schweizerischer Baumschulen VSB, welche das Begrünungskonzept veran-
schaulichen sollen und auf Seiten 28 und 29 folgen dann die Details aus der Wundertüte. Da wird eingehend dargelegt, was als Planungsspielraum erlaubt ist und was nicht. Zusammengefasst ist so ziemlich gar nichts möglich, oder dann wieder alles. Wundertüte eben: Auf der Ortsbürgerparzelle zum Beispiel (heute Parkplatz neben der Bibliothek), sieht das Projekt die neue, eingeschossige Bibliothek vor. Da sich die Gemeinde jedoch noch nicht darauf festlegen möchte (die Gemeindefinanzen lassen grüssen), «werden für diesen Bereich die Bebauungsmöglichkeiten gegenüber dem Richtprojekt etwas erweitert» (Zitat Seite 28 Planungsbericht). In den zusätzlichen 10-seitigen Sondernutzungsvorschriften wird diese Bestimmung dahingehend präzisiert, dass «im Rahmen eines qualitätssichernden Verfahrens abgewichen werden darf, wenn eine mindestens gleichwertige ortsbauliche Qualität nachgewiesen wird...» (Zitat Seite 3 SNV). Im selben Sondernutzungsvorschriftenkatalog findet man, dass als Sichtschutz gegen den Fussweg Stauden oder Hecken bis zu 1,80m (§10) und die Abgrenzung der privaten Aussenräume zu den gemeinschaftlichen Hof- und Grünräumen mit Stauden von maximal 80cm Höhe (§13) gepflanzt werden dürfen und pro Baubereich bitte einheitlich gestaltet! (Man hört das Wiehern des Amtsschimmels direkt!)
Der Schreibende wollte sich im Nachgang zur Internetbetrachtung im Amt für Bau und Umwelt in Möhlin die in der Publikation angekündigten «relevanten Planungsunterlagen» in ihrer wahren Grösse ansehen. Das wurde aber zum Flop, denn nirgends an den Wänden hängen Pläne – einzig im Raum mit dem gesamten Dorfmodell ist ein Einsatz mit dem Projekt des siegreichen Vorschlages aus dem Testplanungsverfahren zu sehen. Zur Vertiefung in die Materie erhält man ein dünnes Papierdossier. Etwas mager, findet der geneigte Betrachter. Immerhin geht es um ein zentrales Vorhaben in der Gemeinde, welches die Steuerzahler100 000 Franken (und noch ein paar zusätzliche Tausender für die Umgestaltung des Sonnenparks und das Studium einer provisorischen Rampe in die Tiefgarage von der Hauptstrasse her, falls die geplante abenteuerliche Rampenzufahrt des Projektvor-schlages doch nicht so schnell Wirklichkeit werden sollte). Die übrigen 100 000 Franken sind von den Grundeigentümern zu berappen.
Vielleicht ist es ganz gut, wenn keine Pläne aufgehängt sind, aus welchen man entnehmen könnte, wie z.B. die geplanten Wohnungen gestaltet sind. Möglicherweise würde dann die Frage laut, ob man an besagtem Ort wirklich ebenerdig auf Strassenniveau wohnen könne, oder ob nicht eine gewerbliche Nutzung und darüber zwei Wohngeschosse der Lage besser entsprechen würden. Im Gestaltungsplanverfahren ist eine solche Lösung durchaus möglich und würde zudem auch besser in eine Welt mit zunehmender Ressourcenknappheit passen. Im Testplanverfahren wurden entsprechende Vorschläge vorgestellt, ein Vorschlag sah im Hinterland sogar 4-geschossige Flachdachbauten vor.
Ganz sicher hingegen möchte niemand eine Wohnung, deren Gartensitzplatz direkt an das Schlafzimmerfenster der Nachbarwohnung grenzt oder bei der man durch drei Aussenfreiräume der Nachbarn stolpern muss, bevor man an seiner Wohnungstüre ankommt. (Plan-darstellung Seite 21, bitte wirklich genau ansehen!)
Das Projekt blendet das Erlebnispotenzial, welches die angrenzende Hauptstrasse nebst den weniger angenehmen Eigenschaften aber doch bietet, weitgehend aus. Hingegen scheut man sich nicht, in den Obergeschossen Wohnungen und «Gemeinschaftsräume» vorzuschlagen, welche ausnahmslos nur gegen die Strasse hin orientiert sind. Diese unglückliche Disposition ist den rückseitigen Anbauten geschuldet, welche eine andere Orientierung für diese Wohnungen nicht zulassen und die sonnige Parkseite verbauen. Der Schreibende hat anlässlich der Sitzungen den Finger auf diese offensichtlich wunden Punkte gelegt, erntete dafür jedoch geharnischten Protest und wurde als unanständig und unkollegial bezeichnet.
Noch immer wird von Behördenseite suggeriert, das Gestaltungsplanprojekt bilde lediglich den äusseren Rahmen, und im Innern sei man vollkommen frei in der Einteilung, ja - man könne auch die rückwärtigen Anbauten weglassen, wenn man wolle (Beamtenaussage am 21. Januar 2022). Das ist natürlich totaler Unsinn, denn wofür soll denn dieses erkorene Projekt noch stehen, samt den aufgelaufenen Planungskosten von über 200 000 Franken?
Gute bauliche Gestaltung zeichnet sich aus durch einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Inhaltstruktur und äusserer Erscheinung. Wird einem unvernünftigen Inhalt zusätzlich ein falsches Äusseres aufgesetzt, entsteht eine Theaterkulisse, welche sich früher oder später eben als Wundertüte herausstellt.
Der Schreibende hat in der Folge den Planungs - Schlussbericht nicht unterzeichnet und damit sein Nichteinverständnis offiziell bekundet.
Helfen Sie ebenfalls mit, diese Illusion zu verhindern, bevor sie zur bindenden Vorschrift erklärt wird, zum Wohl für ein zeitgemässes Möhlin. Ballenberg liegt woanders, ist ein schönes Museum und braucht keine Filiale in Möhlin.
PS. Es bestehen durchaus brauchbare Alternativen.