Von Olga Senft, Eiken
Ein russischer Kirchenchor in Fricktal? Jetzt? Meine spontane Reaktion war: Auf welcher rechtlichen Grundlage würden diese Leute in die Schweiz einreisen? Und: Gehört ihre Friedensbotschaft nicht eher in die russisch-orthodoxen Kirchen, deren Oberhaupt den Krieg nachweislich unterstützt? Oder direkt auf den Roten Platz?
Natürlich dürfen wir das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und Katharina Metzger hat völlig recht: Warum kann man die russische Kultur nicht als Kultur von Putins Gegnern sehen? Wahrscheinlich wird nicht jedes Chormitglied ein überzeugter Putinist sein – wobei wir auch nicht vom Gegenteil ausgehen können. Aber wer die grässliche Realität des Krieges aus erster Hand kennt, der wirklich weiss, was meine ehemaligen Mitschülerinnen, Nachbarn, Verwandten und Bekannten seit über acht Monaten erdulden müssen, wird einen Friedensgruss aus Russland als Hohn empfinden. Jeder Russe, jede Russin mit Herz und Gewissen schämt sich in Grund und Boden dafür, was der Ukraine und der ganzen Welt im Namen ihres Landes derzeit angetan wird, und wenn die besagten Chormitglieder auch zu dieser Kategorie gehören, werden sie selbst einsehen müssen, dass ihr Auftritt im Moment, gelinde gesagt, etwas unzeitig wäre.
Auch ich sehne mir die Zeit herbei, wo ich beim Anblick einer russischen Flagge nicht mehr zusammenzucke und beim Auftritt eines russischen Chors nur die Kultur im Blick habe. Doch bis dahin muss noch viel Anderes passieren.