Von Franz Meier, Stein
Mit dem Überfall auf die Ukraine ist am Donnerstag in Europa eine grundlegend neue Situation entstanden. Putin hätte nicht deutlicher machen können, dass die 30-jährige Entspannungs-Politik definitiv zu Ende ist.
Die Ukraine hatte seit den 90-er Jahren einen besonders bemerkenswerten Weg beschritten. Ein Land – nach 1990 noch unter der Vorherrschaft von Moskau – hat Schritt für Schritt den Weg zu Demokratie und Selbständigkeit begangen. Das ist insofern beachtenswert, weil die Ukrainer sich dem russischen Kulturkreis zugehörig fühlen. Russisch ist, wie Ukrainisch, Umgangssprache – so wie etwa bei uns Schriftdeutsch auch gesprochen wird, wenn man merkt, dass jemand unsere Mundart nicht versteht. Und über 35% der Menschen in der Ukraine bezeichnen sich als Russen – wollen aber trotzdem nicht von Russland bevormundet werden.
Nun ist aber das passiert, woran kaum noch jemand geglaubt hat, dass es nochmals vorkommen könnte. Russland ist – wie 1956 in Ungarn, und 1968 in die Tschechoslowakei einmarschiert. Es wird sich nun zeigen müssen, ob es den Ukrainern gelingt, den Truppen Russlands die Stirn zu bieten. Was man bis jetzt gesehen hat, ist der Widerstandswille sehr gross, sich gegen die Invasion des „Brudervolks Russland“ – oder besser gesagt, gegen Diktator Putin und die russische Armee – zur Wehr zu setzen. Eigentlich hätte man auch glauben können, dass die Multi-Ethnie der Ukraine unter der russischen Invasion wie ein Kartenhaus zusammenbrechen würde. Das Gegenteil ist eingetreten – die Ukrainer wehren sich mit allem, was ihnen zur Verfügung steht. Hut ab.
Hier von der Schweiz aus werden wir nicht viel anderes tun können, als uns den Flüchtlingen anzunehmen, die jetzt über die Grenzen nach Westeuropas strömen – vor allem Mütter mit Kindern – und Hilfslieferungen sollten auf den Weg gebracht werden, um die Versorgung im Innern der Ukraine zu unterstützen. Solidarität tut jetzt not, um Leid zu mindern.
Uns muss auch klar sein, dass Putin die Konfrontation mit der NATO nicht scheut. Er droht sogar – unglaublicherweise - mit dem Einsatz von atomaren Waffen. Ich kann mir deshalb nicht vorstellen, dass Putin noch fähig oder gewillt ist, Lehren aus dem Versagen seiner Armee ziehen. Er wird wohl weiter versuchen sein ganzes Waffenarsenal einzusetzen. Wenn sich in Moskau nun nicht vernünftigere Leute mit klarerem Kopf und Mut gegen Putin stellen werden, ist nicht auszuschliessen, dass wir uns einem Krieg nähern, der auch Westeuropa bedrohen wird.
Was könnte das für die Schweiz bedeuten? Die Ukrainische Grenze ist zwar „weit weg“, 1200 km oder etwa 20 Stunden Autofahrt. Eine russische Rakete mit einem atomaren Sprengkopf benötigt für diese Strecke aber weniger als eine Stunde. Ein Beschuss Westeuropas mit Atomwaffen könnte für uns aber auch bedeuten, dass die Schweiz von radioaktivem Fallout bedroht wird. Was das für unsere Landwirtschaft und die Versorgung mit Lebensnotwenigem bedeuten würde, wagt man sich gar nicht vorzustellen.
Es gibt aber – auch ohne den Einsatz von Atomwaffen – auch sonst noch genügend Anderes, um das wir uns Sorgen machen sollten. Cyberangriffe sind schon heute an der Tagesordnung. Angriffe auf das Internet stellen eine der ganz grossen Gefahr dar. In unserem täglichen Leben funktioniert praktisch heute nichts mehr ohne das Internet – die Stromversorgung, die Wasserversorgung, das Telefonnetz, sowie der Feuerwehr- und der Sanitäts-Notruf usw. Ein Cyberangriff auf unsere Stromversorgung könnte dazu führen, dass wir möglicherweise über Tage keinen Strom mehr hätten und nicht mehr telefonieren könnten – der Wasserhahn nur noch tropft - und nicht mehr geheizt werden kann. Die Grossverteiler könnten ihre Kassen nicht mehr betreiben, die Anlieferung von Lebensmitteln würde massiv behindert – und an den Tankstellen könnte kein Benzin mehr getankt – von den Bankomaten kein Bargeld mehr bezogen werden. Das Radio und das Fernsehen würden stumm bleiben.
Es dürfte deshalb kein schlechter Rat sein, wenn man jetzt mal seinen Notvorrat kontrolliert, Ich werde jetzt auch schauen, ob ich genügend Medikamente, Hygieneartikel, Abfallsäcke, Batterien (für die Taschenlampe und das Kofferradio), Brennsprit für das Fonduerechaud (als Notkocher), leere oder gefüllte Petflaschen als Wasser-Notvorrat habe.
Das ist nicht Schwarzmalerei. Das kann alles passieren, ohne dass in Westeuropa ein einziger Schuss fällt. Und trotz all dieser Eigenvorsorge sollte man nicht in Panik verfallen. Das Leben wird weitergehen, wie uns die Ukrainer jetzt tagtäglich beweisen. Aber auch an die Alten und Kranken sollte man schon jetzt denken – wie im Covid-Lockdown. Sie sind vielleicht jetzt überfordert – und die Hilfe an die Ukraine sollte man auch nicht vergessen.