(pd) Nach den Meldungen von überraschend hohen Dioxinwerten im Boden im Umfeld einer ehemaligen Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) in Lausanne hat der Aargauer Regierungsrat eine umfassende Untersuchung der Böden rund um die drei Aargauer KVA in Buchs, Turgi und Oftringen durchführen lassen. Die Resultate liegen nun vor. Es wurden keine Sanierungswertüberschreitungen gemäss der massgebenden Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo) festgestellt.
Die hohen Werte, die in Böden um die KVA in Lausanne gemessen wurden, werden für die Umgebung der Aargauer KVA nicht bestätigt. Aufgrund der aktuellen Untersuchungsresultate kann durch den Vergleich mit alten Messungen davon ausgegangen werden, dass seit den 1990er Jahren keine Erhöhungen der Belastungen erfolgt ist. Dennoch liegen vier Messwerte über dem sogenannten Prüfwert, was in einem nächsten Schritt zusätzliche Untersuchungen auslöst, ob und allenfalls welche Massnahmen an diesen Standorten nötig sind. In Lausanne wurden im Frühling 2021 im Boden von Wohngebieten rund um eine ehemalige Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) überraschend hohe Konzentrationen an polychlorierten Dibenzodioxinen und -furanen (PCCD/F) – so genannte "Dioxine" – festgestellt. In der Folge wurde das Thema "Dioxine" in Böden um KVA in den Medien sowie auf kantonaler und nationaler Ebene in politischen Vorstössen aufgegriffen.
Die Abteilung für Umwelt des Departements, Bau, Verkehr und Umwelt hat in Absprache mit den KVA-Betreibern daraufhin eine umfassende Untersuchung der Belastungssituation rund um die Böden der KVA Buchs, Turgi und Oftringen an ein externes Büro in Auftrag gegeben. In der Untersuchung wurden Standorte beprobt und analysiert, bei welchen die höchsten Dioxinbelastungen zu erwarten waren. Die Untersuchungen erfolgten auf der Grundlage der Betriebsdaten aus den 1970/80er Jahre, da die damaligen Abgasbehandlungen der KVA weniger wirkungsvoll waren als heute. Aufgrund des heutigen Betriebs mit zusätzlichen Abgasbehandlungsstufen und teils höheren Kaminen besteht kein Verdacht auf Emissionen, welche durch den heutigen Betrieb zu problematischen Dioxin-Konzentrationen in Böden führen.
Die Beprobung wurde Ende April vorgenommen. Die anspruchsvolle Dioxinanalytik wurde von der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) durchgeführt. Da das Labor aufgrund der schweizweiten Bestrebungen, die Dioxin-Belastungssituation zu untersuchen, sehr stark ausgelastet ist, dauerte es entsprechend lang bis die Resultate vorlagen und ausgewertet sowie interpretiert werden konnten.
Keine vergleichbar hohen Werte wie in Lausanne
Die Resultate aus den total 38 Proben (neun davon Referenzproben für die Hintergrundbelastung) zeigen keine Überschreitung von Dioxin-Sanierungswerten gemäss der Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo). Die Werte liegen demnach deutlich unter denjenigen der Böden um die KVA in Lausanne. Aufgrund der aktuellen Untersuchungsresultate kann durch den Vergleich mit alten Messdaten davon ausgegangen werden, dass seit den 1990er Jahren keine Erhöhung der Belastungen erfolgt ist. Es wurde pro KVA auch an drei Standorten die Hintergrundbelastung an Dioxinen gemessen (Standorte ausserhalb der modellierten Bereiche). Alle Werte lagen unter dem VBBo-Richtwert für unbelastete Böden.
Im Gebiet Breitenloo in Buchs, wo in den 1970er Jahre Kühe verendet waren und dies in der öffentlichen Diskussion in den Zusammenhang mit Dioxinemissionen gebracht wurde, wurden keine Richtwertüberschreitungen gemäss VBBo festgestellt. Auch im gesamten untersuchten Gebiet der KVA Oftringen gab es keine Richtwertüberschreitung zu verzeichnen.
Standorte mit Prüfwertüberschreitungen
In vier Proben wurde eine Überschreitung des VBBo-Prüfwerts festgestellt und in zehn weiteren Proben eine Überschreitung des entsprechenden Richtwerts. Bei der KVA Turgi weist eine Probe eine knappe Prüfwertüberschreitung auf. Dies bestätigt die frühere Untersuchung am selben Standort in den 1990er Jahre. Die damals erfolgte Gefährdungsabschätzung wird in einem nächsten Schritt aufgrund neuster Erkenntnisse überprüft.
Bei der KVA Buchs weisen drei Proben östlich der KVA eine Prüfwertüberschreitung auf. Zwei Werte sind im Bereich von 50 ng I-TEQ/kg und der Dritte liegt knapp über dem Prüfwert. Auffallend ist, dass alle drei Standorte im Wald liegen. Eine wahrscheinliche Erklärung für die erhöhten Werte liegt im sogenannten Auskämmeffekt. Die Kronen der Bäume filtern gewissermassen die Luft und mit dem Laub- respektive Nadelfall gelangen die daran haftenden und angereicherten Schadstoffe auf und in den Boden. Auch bei diesen drei Standorten wird eine Gefährdungsabschätzung durchgeführt. Eine akute Gefährdung liegt allerdings nicht vor.
Nächste Schritte
Als nächster Schritt wird nun eine detaillierte Gefährdungsanalyse durchgeführt unter Berücksichtigung der gemessenen Werte in anderen Kantonen und der neusten Erkenntnisse des Bundesamtes für Umwelt (BAFU). Dies erfordert zusätzliche Untersuchungen. Erst dann kann definiert werden, ob und allenfalls welche Massnahmen umgesetzt werden müssen. Ebenfalls wird geprüft, welche anderen Emittenten neben den KVA's noch zu untersuchen sind. Die Verordnung über Belastungen des Bodens (VBBo) sieht folgende drei Schwellenwerte für Schadstoffe vor:
Richtwert:
Der Richtwert gemäss VBBo gibt an, ab welcher Konzentration eines Schadstoffes die Bodenfruchtbarkeit langfristig nicht mehr gewährleistet ist. Jegliche Nutzung ist weiterhin uneingeschränkt möglich. Wenn der Richtwert überschritten ist, so gilt es, die Belastungsquellen zu stoppen. Für Dioxine liegt er bei 5 ng I-TEQ/kg.
Prüfwert:
Bei einer Überschreitung des Prüfwerts gemäss VBBo prüft die kantonale Behörde, ob die Belastung des Bodens Menschen, Tiere oder Pflanzen konkret gefährdet, weil man davon ausgeht, dass für empfindliche Nutzungen eine Gefährdung möglich ist; wenig empfindliche Nutzungen sind dagegen weiter möglich. Für Dioxine liegt der Prüfwert bei 20 ng I-TEQ/kg.
Sanierungswert:
Bei der Überschreitung des Sanierungswerts gemäss VBBo ist dagegen keine Nutzung mehr möglich. Für Dioxine liegt der Sanierungswert für Kinderspielplätze (Kinder können Boden direkt aufnehmen und sind deshalb besonders gefährdet) bei 100 ng I-TEQ/kg, für die Landwirtschaft bei 1000 ng I-TEQ/kg.