(pd) Mit der Volksinitiative «Arbeit muss sich lohnen!» will die Junge SVP Aargau die Sozialhilfebeiträge bei Langzeitbezug kürzen. Der Regierungsrat empfiehlt die Vorlage zur Ablehnung. Deren Umsetzung würde aus Sicht des Regierungsrats einen nicht verhältnismässigen Mehraufwand generieren.
Die Junge SVP Aargau hat am 24. April 2024 die Aargauische Volksinitiative «Arbeit muss sich lohnen!» mit 3207 gültigen Unterschriften bei der Staatskanzlei eingereicht. Die Volksinitiative verlangt, das Sozialhilfe- und Präventionsgesetz (SPG) mit einem neuen § 5b zu ergänzen, der eine pauschale Minderung des Grundbedarfs von mindestens 5 Prozent vorsieht, sobald die Dauer des Sozialhilfebezugs ununterbrochen zwei Jahre beträgt und keine Ausnahmen vorliegen. Der Rechtsdienst des Regierungsrats hat die Initiative geprüft und ist zum Schluss gekommen, dass sie formell korrekt und verfassungskonform ist. Der Regierungsrat beantragt dem Grossen Rat, die Initiative für gültig zu erklären und sie dem Stimmvolk zum Entscheid vorzulegen.
Der Initiativtext spricht von einer steigenden Tendenz der Anzahl Langzeitbeziehender. Gemäss Sozialhilfestatistik sinkt jedoch die Anzahl jener Sozialhilfebeziehenden, die seit über zwei Jahren Sozialhilfebeiträge erhalten, seit 2019 deutlich (2018: 3837 Dossiers, 2023: 3201 Dossiers). Die Zahl aller Personen mit Sozialhilfebezug sank seit 2017 um 21 Prozent von 15 000 Personen (2017) auf 11 873 Personen im Jahr 2023 (bei steigender Bevölkerungszahl). Seit dem Jahr 2019 sind zudem auch die Sozialhilfekosten insgesamt gesunken (Asylbereich ausgenommen). Die Initiative sieht unter anderem Ausnahmen für Kinder und Jugendliche sowie Erwerbstätige vor. Diese machen rund zwei Drittel der Langzeitbezüger aus (je circa ein Drittel Kinder/Jugendliche und Erwerbstätige).
Sanktionierung heute schon möglich
Den Gemeinden stehen mit den heutigen Rechtsgrundlagen genügend Instrumente zur Verfügung, um unkooperatives Verhalten zu sanktionieren. Sie können die Sozialhilfebeziehenden mit Weisungen und Auflagen zur Stellensuche verpflichten und bei Nichtbefolgung die Sozialhilfebeiträge kürzen oder die Sozialhilfe ganz einstellen. Diese Massnahmen können die Sozialbehörden unabhängig von der Dauer des Sozialhilfebezugs anwenden. Dem Regierungsrat liegen weder von den Gemeindebehörden noch von den Gemeindesozialdiensten Hinweise vor, dass die vorliegenden Instrumente nicht ausreichen. Die Initiative greift deshalb unnötigerweise in ein funktionierendes System ein.
Zusätzliche Bürokratie und hoher Verwaltungsaufwand
Eine pauschale Minderung, wie sie die Initiative vorsieht, hätte in den betroffenen Fällen eine Reduktion des monatlichen Grundbedarfs für den Lebensunterhalt und somit eine gewisse Kosteneinsparung zur Folge. Die Umsetzung der Initiative würde aber den Verwaltungsaufwand bei den Gemeinden stark erhöhen. Die Gemeindesozialdienste müssten alle Dossiers von Langzeitbeziehenden (mehr als zwei Jahre) überprüfen. Auch anschliessend müssten sie bei Veränderungen – wie zum Beispiel bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, beim Eintritt einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, beim Besuch eines Sprachkurses oder Beschäftigungsprogramms – prüfen, ob eine Ausnahme oder eine Minderung angezeigt ist. Dies ergibt auch rechtliche Abgrenzungsfragen. Daraus resultieren zusätzliche Personalkosten zulasten der Gemeinden.
In seiner Botschaft an den Grossen Rat empfiehlt der Regierungsrat die Initiative aus diesen Gründen zur Ablehnung. Er ist der Ansicht, dass der mögliche Nutzen der Einführung nicht in einem vernünftigen Verhältnis zu den erwarteten Kosten und Aufwendungen einer Umsetzung steht.
Sozialhilfe und Grundbedarf
Die Sozialhilfe gewährleistet das in der Verfassung verankerte Recht auf Existenzsicherung. Sie ist das letzte Auffangnetz im System der sozialen Sicherheit. Wenn persönliche Ressourcen und Leistungen von Sozialversicherungen für den Lebensunterhalt nicht ausreichen, übernimmt die Sozialhilfe die materielle Existenzsicherung. Die Sozialhilfe bewahrt die Bevölkerung vor Armut und garantiert ein menschenwürdiges Dasein.
Der monatliche Grundbedarf in der Sozialhilfe (für Lebensunterhalt, Wohnungskosten und Kosten für die medizinische Grundversorgung) liegt für eine Einzelperson gemäss Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) vom 1. Januar 2025 bei 1061 Franken. Der Regierungsrat hat die SKOS-Richtlinien in der Sozialhilfe- und Präventionsverordnung für im Kanton Aargau anwendbar erklärt. Der Grundbedarf der SKOS orientiert sich am sozialen Existenzminimum und ist tiefer als der Grundbedarf bei anderen Sozialleistungen, namentlich den Ergänzungsleistungen gemäss Bundesgesetz über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) vom 6. Oktober 2006 (Ergänzungsleistungsgesetz). Die SKOS zieht für die Berechnung des Grundbedarfs eine klar definierte Vergleichsgruppe der 10 Prozent einkommensschwächsten Haushalte herbei. Der tiefe Ansatz des Grundbedarfs zwingt sozialhilfebeziehende Personen dazu, in bescheidenen Verhältnissen zu leben.