Ein Produkt der  
Die grösste Wochenzeitung im Fricktal
fricktal info
Verlag: 
Mobus AG, 4332 Stein
  Inserate: 
Texte:
inserat@fricktal.info
redaktion@fricktal.info
Fricktalwetter
Ein paar Wolken
10.9 °C Luftfeuchtigkeit: 93%

Mittwoch
10.8 °C | 18.6 °C

Donnerstag
10.3 °C | 16.8 °C

Paul-Scherrer-Institut: Eine Datenbank soll helfen, die Versorgung mit Vanadium sicherzustellen

(jbe) Vanadium ist ein kritischer Rohstoff. Mit dem Metall können sogenannte Redox-Flow-Akkumulatoren gebaut werden, die Strom dauerhafter speichern als Lithium-Ionen-Akkus. Damit gelten sie als wichtiger Baustein für die Energiewende. Doch die Versorgung mit Vanadium ist noch unzureichend ausgebaut; die Preise schwanken stark, was Investitionen hemmt. Eine von Forschenden am Paul-Scherrer-Institut PSI geschaffene Datenbank soll das ändern.

Forschende des PSI haben eine dynamische Datenbank für den Rohstoff Vanadium aufgebaut. Vanadium ist ein Metall mit grossem Potenzial für die Energiewende: Sogenannte Vanadium-Redox-Flow-Batterien (VRFB) können Strom über längere Zeiträume speichern als die weitverbreitete Lithium-Ionen-Technologie. Deshalb sind sie besonders geeignet, Überschüsse von Wind- und Sonnenstrom in grossen Anlagen zu speichern und später wieder einzuspeisen. So können sie als Energiepuffer dienen, die das Stromnetz stabilisieren und die Versorgung auch während sogenannter Dunkelflauten gewährleisten, wenn weder Wind noch Sonne ausreichend Strom liefern. Der Mangel an solchen Speicherlösungen gilt als eine der grössten Herausforderung für die Energiewende, denn Wind- und Sonnenstrom stehen weniger konstant zur Verfügung als Strom aus Kohle- oder Gaskraftwerken.

Für die Datenbank hat Benjamin Rogers, Doktorand am PSI und an der ETH Zürich, im Team von Sarbajit Banerjee, Leiter des Labors für Batterieforschung am Zentrum für Energie- und Umweltwissenschaften des PSI und Professor für Chemie an der ETH Zürich, während mehr als zwei Jahren Daten von allen Akteuren der Vanadiumwirtschaft weltweit gesammelt – von Minenbetreibern bis hin zur verarbeitenden Industrie. Darunter sind Informationen über vermutete und bestätigte Erzvorkommen, aus denen sich Vanadium wirtschaftlich gewinnen liesse, geplante und realisierte Abbaumengen, Bedarf, Formen und Mengen der Verarbeitung, Preise sowie weitere relevante Kennzahlen. Alle Daten sind in eine Art «lebende Weltkarte» für Vanadium eingegangen, die ständig an aktuelle Entwicklungen angepasst wird und allen Akteuren der Branche – Unternehmen, Regierungen, Forschenden – zur Verfügung steht. «Es geht darum, eine verlässliche Basis für Investitions- und politische Entscheidungen zu schaffen», sagt Rogers. «Denn daran mangelt es bislang.» Dadurch sei der vergleichsweise noch recht kleine Vanadiummarkt sehr volatil. Das bedeutet, die Preise schwanken stark, weshalb sich viele Unternehmen scheuen, in den Abbau zu investieren. Die Versorgung mit dem Metall ist daher nicht zuverlässig gesichert.

Marktdominanz und Preisschwankungen

Obwohl es weltweit genügend Vanadiumvorkommen gibt, galt das Metall lange Zeit als zu selten und zu teuer für eine flächendeckende Lösung zur Speicherung von überschüssigem grünem Strom. Inzwischen sind die Preise zwar gefallen – allerdings so stark, dass geplante neue Minen in Australien wirtschaftlich vor dem Aus stehen. Hauptgrund für diese starken Schwankungen ist die Marktkonzentration: Über 60 Prozent der weltweiten Jahresproduktion von rund 150`000 Tonnen stammen aus China, der Rest fast ausschliesslich aus Russland, Südafrika und Brasilien. Länder wie Australien, Kanada, die USA und Kasachstan verfügen zwar ebenfalls über grosse Reserven, diese werden bisher jedoch kaum erschlossen.

Bisher wurde Vanadium vor allem zur Legierung von Baustahl eingesetzt, um dessen Festigkeit zu erhöhen. Eine Gesetzesänderung in China nach dem schweren Erdbeben von 2008 machte den Zusatz verpflichtend und liess die Nachfrage – und die Preise – stark steigen. Mit dem Ende des chinesischen Baubooms kam es jedoch zu einem Preisverfall, der bereits geplante Minenprojekte in Australien ins Wanken brachte.

Verlässliche Rohstoffdaten

«Solche Preisextreme zu vermeiden und dadurch eine zuverlässigere, nachhaltigere Vanadiumproduktion zu ermöglichen, ist das Ziel unseres Projekts», sagt Banerjee. Der studierte Chemiker erforscht das Metall schon seit Jahren als Material für Kathoden von Batterien, Katalysatoren und Computertechnik. Aus seiner Forschungsgruppe sind bereits zwei Start-ups in der Branche hervorgegangen: Eines entwickelt Vanadium-Kathoden, das andere Verfahren zur Gewinnung von Lithium aus Wasser unter Einsatz von Vanadium. «Insofern hatten wir schon lange gute Kontakte in die Szene, und alle haben den Bedarf für ein Projekt wie unseres gesehen», berichtet Banerjee.

Hauptpartner bei der Entwicklung der Datenbank ist der Verband Vanitec. In diesem Verband sind viele Akteure der Branche organisiert, die auf Vanadium spezialisiert sind. Um die Verlässlichkeit der Daten zu garantieren, lassen die Forschenden sie – so weit möglich – unabhängig prüfen. «Das Schwierigste», so Rogers, «war nicht die Beschaffung der Daten, sondern sie zu harmonisieren.» Sie kommen in verschiedensten Zählweisen an und mussten daher vereinheitlicht werden, um eine gute Vergleichbarkeit zu ermöglichen.

Innovative Finanzierungsmodelle sind gefragt

Mit verlässlichen Parametern können grosse und kleine Unternehmen, Investoren und politische Entscheidungsträger nachhaltiger planen. Was nicht zuletzt auch deshalb wichtig ist, weil vom Fund einer Lagerstätte bis zur tatsächlichen Förderung und dem Verkauf des Metalls oft zehn oder gar fünfzehn Jahre vergehen. «Viele grosse Bergbauunternehmen, die es sich auch ohne Investoren leisten können, diese Zeit zu überbrücken, steigen in den Vanadiummarkt gar nicht erst ein, bevor er nicht mindestens ein Volumen von 500 000 Tonnen pro Jahr erreicht», sagt Banerjee. Daher, so schlägt sein Team vor, brauche es zusätzlich zu den Daten auch innovative Finanzierungsmodelle. Eine Idee seien etwa langfristige Abnahmegarantien. Zum Beispiel könne Indien, das viel Vanadium benötigt, Australien zusichern, eine gewisse Menge pro Jahr zu kaufen, sobald die Minen dort mit der Förderung beginnen.

Eine weitere Möglichkeit ist das sogenannte Rohstoff-Leasing, wie es auch bei einigen anderen Metallen bereits gebräuchlich ist: Das Vanadium-fördernde Land «vermietet» sein Vanadium gewissermassen für bestimmte Zeit. So behalten die produzierenden Länder ihre Bodenschätze in ihrem Besitz, während Kapitaleinsatz und Risiko für den Abnehmer sinken und die Nachfrage stabil bleibt.

Die weltgrösste Batterieanlage soll bald in der Schweiz stehen

Einsatz finden Vanadium-Redox-Flow-Batterien vor allem als stationäre Grossspeicher zur Netzstabilisierung, insbesondere in Wind- und Solarparks oder bei industriellen Verbrauchern. Sie eignen sich jedoch auch für grössere Wohnanlagen oder zur Versorgung von Rechenzentren, die – nicht zuletzt durch den rasanten Ausbau der künstlichen Intelligenz – immer mehr Strom benötigen: Im schweizerischen Laufenburg entsteht zurzeit die weltweit grösste Anlage von Vanadium-Redox-Flow-Batterien direkt neben einem KI-Rechenzentrum. Sie soll mit 960 Tanks und 250 Millionen Litern Elektrolytflüssigkeit eine Speicherkapazität von 1,6 Gigawattstunden bieten.

Banerjee und Rogers hoffen, dass dieses Beispiel in Europa Schule macht und Vanadium-Redox-Flow-Batterien stärker eingesetzt werden, um die Energiewende voranzubringen. «Wir stehen an einem wichtigen Punkt», sagt Banerjee. «Gelingt es uns, Vanadium effizient und wirtschaftlich zu fördern und solche Batterien in grosser Zahl herzustellen, kann dies einen bedeutenden Beitrag zu einer stabilen, nachhaltigen Energieversorgung leisten.» Mit der neuen dynamischen Datenbank tragen die PSI-Forschenden dazu bei, dass auch andere Märkte schneller Zugang zu den nötigen Informationen erhalten und das Potenzial dieser Technologie nutzen können.

Über das PSI

Das Paul-Scherrer-Institut PSI entwickelt, baut und betreibt grosse und komplexe Forschungsanlagen und stellt sie der nationalen und internationalen Forschungsgemeinde zur Verfügung. Eigene Forschungsschwerpunkte sind Zukunftstechnologien, Energie und Klima, Health Innovation und Grundlagen der Natur. Die Ausbildung von jungen Menschen ist ein zentrales Anliegen des PSI. Deshalb sind etwa ein Viertel unserer Mitarbeitenden Postdoktorierende, Doktorierende oder Lernende. Insgesamt beschäftigt das PSI 2300 Mitarbeitende und ist damit das grösste Forschungsinstitut der Schweiz. Das Jahresbudget beträgt rund 460 Millionen Franken. Das PSI ist Teil des ETH-Bereichs, dem auch die ETH Zürich und die ETH Lausanne angehören sowie die Forschungsinstitute Eawag, Empa und WSL.