(pd) Gestern Dienstag fand in Birr erneut eine Kundgebung mit über 30 Teilnehmenden statt. Sie forderten den Bundesrat auf, die überflüssig gewordenen Turbinen, die im Reservekraftwerk verbaut werden sollen, an die Ukraine zu liefern, wie «Klimastreik Aargau» in einer Medienmitteilung schreibt.
Aus 500 Kerzen legten die Anwesenden auf dem Bahnhofplatz Birr ein Bild von der Landesgrenze der Ukraine. «Die Stimmung war besinnlich und friedlich», schreibt die Organisation.
Überrascht habe die Teilnahme der Birrerinnen und Birrer, die sich bislang eher zurückhaltend gezeigt hätten. In einem offenen Brief an den Bundesrat kritisieren sie die mangelnde demokratische Mitsprachemöglichkeiten beim Standortentscheid, sowie die Tatsache, dass das sehr Laute Kraftwerk, welches im Betrieb täglich bis 4,8 Tonnen giftige Stickoxide und 6,6 Tonnen Kohlenmonoxide ausstösst, direkt neben den Wohnquartieren Wyden und der Schule mit rund 600 Schülern gebaut wird. «Vergessen wir nicht, dass eine weitere Gruppe, die durch die Anwesenheit dieses Kraftwerks benachteiligt wird, die Hausbesitzer sind, die 38% der Bevölkerung ausmachen und die den Wert ihrer ehemals ruhigen und ländlich gelegenen Häuser jedes Mal, wenn sie an der Anlage vorbeifahren, sinken sehen können», liest Anwohnerin Gillian Müller aus dem Brief vor.
Alexandra Neumann vom Klimastreik Aargau verwies auf den Bericht vom UVEK vom 2. November, der darlegt, dass die Stromversorgung in der Schweiz auch ohne das Reservekraftwerk gesichert sei. Die Daten für den Bericht stammen vom August 2022, seitdem habe sich die Situation aufgrund des ungewöhnlich warmen Herbstes, den zu 85% gefüllten Gasspeichern, den gut vorbereiteten Wasserkraftwerken und den bereits zu 30% erreichten Energiesparzielen nochmals stark entschärft. Im Bezug aufs Klima sagt sie: «Im Betrieb stösst dieses Kraftwerk jeden Tag rund 6220 Tonnen Co2 aus. Mit der Technologie, die wir haben, braucht es eineinhalb Jahre, um diese Menge von einem Tag wieder aus der Luft zu filtern. Es besteht kein Zweifel, dass das nicht mit dem 1,5° C Ziel des Pariser Klimaabkommens zusammenpasst.» Auf die Frage, warum der Klimastreik eine Verschiebung des Kraftwerks in die Ukraine unterstützt, antwortet die Aktivistin: «Bei uns ist es als zusätzliches Kraftwerk geplant. In der Ukraine würden jedoch nur die Turbinen geliefert, um als Ersatzteile für die bereits bestehenden Kraftwerke zu dienen. Zudem wäre es ein unverzichtbares Nein zur Stromgewinnung aus Fossilen Energien in der Schweiz.»
Die ukrainische Sprecherin Alla Sarbach bedankt sich herzlich für die bisher geleistete Hilfe der Schweiz, und bestätigt, dass die Turbinen in der Ukraine gut gebraucht werden könnten, sollte sich der Bundesrat dafür entscheiden, sie an die Ukraine zu liefern. Denn Seit dem 10. Oktober greift Russland in Wellen gezielt die zivile Infrastruktur der Ukraine an.
Organisiert wurde der Anlass von einem Zusammenschluss aus Einwohnerinnen und Einwohnern von Birr, Klimaaktivisten und -aktivistinnen und aus der Ukraine geflüchteten Menschen. Bereits im September und Oktober hatten sich Klimaaktivistinnen und -aktivisten zusammengefunden, um gegen den Bau und die Inbetriebnahme des Öl- und Gasbetriebenen Reservekraftwerks zu demonstrieren.
Am 2. September unterzeichnete der Bundesrat mit GE (General Electric) den Vertrag für den Bau und den Betrieb des Reservekraftwerks für 500 Mio. Fr. Drei Wochen später, am 23. September, folgte die Verordnung zum Bau, trotz hängiger Einsprachen. Die Analyse über die Notwendigkeit des Kraftwerks wurde am 2. November dieses Jahres publiziert. Im Februar 2023 soll das Reservekraftwerk ans Netz angeschlossen werden.
Inspiriert wurde der Anlass von einem Offenen Brief der Fraktionspräsidentin der Grünen Aline Trede und dem Grünen Nationalrat Kurt Egger, in dem die Unterstützung der Ukraine mit den Turbinen gefordert wird.