(pd) Die Auswirkungen des Ukrainekrieges haben für den Kanton Aargau auch finanzielle Konsequenzen. Der Regierungsrat hat aufgrund von Szenarien zur Anzahl der im Kanton aufzunehmenden Flüchtenden den möglichen Finanzrahmen für die Jahre 2022 und 2023 abgesteckt. Er beantragt dem Grossen Rat mehrere Verpflichtungskredite in den Bereichen Unterbringung, Unterstützung und Betreuung sowie Bildung. Mit den beantragten Finanzmitteln will der Regierungsrat die nötige Handlungsfähigkeit sicherstellen, um auch für ein Szenario mit anhaltend hohen Zuweisungen gewappnet zu sein. Die Sicherheitslage in der Ukraine verändert sich laufend und die Entwicklung ist kaum abschätzbar, weshalb die effektive Entwicklung der Anzahl Schutzsuchenden und damit die Auswirkungen auf den Staatshaushalt zum heutigen Zeitpunkt offen sind. Der Regierungsrat wird die Situation laufend überprüfen, so dass neue Erkenntnisse auch in die Beratung des Aufgabenund Finanzplan 2023–2026 durch den Grossen Rat im Herbst einfliessen können.
Der Krieg in der Ukraine führt dazu, dass grosse Fluchtbewegungen stattfinden. Gemäss UNHCR sind bereits über 6 Millionen Menschen aus der Ukraine vor allem in die Nachbarstaaten und nach Westeuropa geflüchtet. Auch in der Schweiz sind in weniger als drei Monaten bereits über 50'000 Schutzsuchende aus der Ukraine eingetroffen. Bei der letzten grossen Flüchtlingskrise in den Jahren 2014 bis 2016 waren es zwischen 23'000 und 40'000 Asylgesuche pro Jahr.
Der Kanton Aargau muss gemäss dem Verteilschlüssel zwischen den Kantonen 8 Prozent der vom Staatsekretariat für Migration (SEM) zugewiesenen Personen mit Schutzstatus S aufnehmen. Bisher hat das SEM dem Kanton Aargau 4'179 Personen mit Schutzstatus S zugewiesen. Seit Beginn der Zuweisungen am 14. März 2022 wurden dem Kanton Aargau zwischen 60 und 120 Personen pro Tag zugewiesen. Die Schweiz sieht sich mit einer Flüchtlingswelle konfrontiert, die in ihrer Dynamik und Grösse schwer abschätzbar ist. Deshalb hat das Departement Gesundheit und Soziales (DGS) gestützt auf die Prognosen des SEM unterschiedliche Szenarien ausgearbeitet. Die Szenarien dienen der Vorbereitung und Planung von Massnahmen und der Eruierung des Finanzierungsbedarfs. Eine gesicherte Finanzierung ist wichtig, um im Bedarfsfall rasch die nötigen Massnahmen umsetzen zu können. Dazu gehören im Asylbereich unter anderem die Anmietung von Unterkünften, das Abschliessen von Betreuungsverträgen und die Beschaffung von Mobiliar. Die Ausgaben erfolgen nur bei Bedarf und gemäss Vergaberichtlinien des Kantons.
Szenarien für tiefe bis hohe Zuweisungszahlen
Das Departement Gesundheit und Soziales hat basierend auf den bisherigen Zuweisungen eine Kapazitätsplanung für die Entwicklung der benötigten Unterbringungsplätze bis Ende 2023 erstellt und für das Jahr 2022 drei verschiedene Szenarien ("tief", "mittel" und "hoch") berechnet. Das Szenario "tief" geht von der Zuweisung von 40 Schutzsuchenden pro Tag aus. Die Szenarien "mittel" und "hoch" arbeiten mit Annahmen von 60 respektive 80 Zuweisungen pro Tag im Jahr 2022.
Eine Prognose der Zuweisungen für das Jahr 2023 ist zum heutigen Zeitpunkt sehr schwierig. Der Regierungsrat rechnet aktuell im Jahr 2023 mit 40 Zuweisungen pro Tag. Diese Annahme in Kombination mit dem Szenario "hoch" im Jahr 2022 ergibt das "Kombi-Szenario" mit 37'200 Personen mit Schutzstatus S bis Ende 2023. Die effektive Entwicklung der Anzahl Schutzsuchenden und damit die Auswirkungen auf den Finanzhaushalt des Kantons Aargau sind zum heutigen Zeitpunkt offen. Damit der Kanton Aargau aber auch bei hohen Zuweisungszahlen handlungsfähig bleibt, hat der Regierungsrat das Kombi-Szenario als Grundlage für die Berechnung des Finanzbedarfs verwendet.
Finanzierungsbedarf im Asylbereich
Gesamthaft rechnet der Regierungsrat für die Unterbrin-gung, Unterstützung und Betreuung der Schutzsuchenden mit Zusatzkosten von 45,3 Millionen Franken im Jahr 2022. Dafür werden dem Grossen Rat zwei Nachtragskredite zum Budget 2022 beantragt. Für die Sicherheitsdienstleistungen in den kantonalen Asylunterkünften ist ein Zusatzkredit über 1,9 Millionen Franken erforderlich. Für das Jahr 2023 muss gemäss heutiger Schätzung mit Zusatzkosten von 125,4 Millionen Franken gerechnet werden. Diese Kostenschätzung ist allerdings mit grossen Unsicherheiten verbunden. In den Krediten enthalten sind auch personelle Ressourcen für 66 befristete Projektstellen.
Dieser finanzielle Rahmen stellt sicher, dass die nötigen Massnahmen in den Bereichen materielle Unterstützung (Sozialhilfe), medizinische Versorgung, Unterbringung, Betreuung, Administration und Führungsunterstützung, temporäre Notunterbringungen sowie Sicherheitsdienstleistungen auch bei einem Szenario mit hohen Zuweisungen finanzierbar sind.
Finanzierungsbedarf im Bereich Schule und Betreuung
Gut dreissig Prozent der Schutzbedürftigen aus der Ukraine mit dem Schutzstatus S sind im Volksschulalter (4 bis 16 Jahre) und haben damit die Pflicht (und das Recht), die obligatorische Schule zu besuchen. Die Gemeinden als Träger der Volksschulen sind zuständig für die Aufnahme der ukrainischen Schülerinnen und Schüler, deren Beschulung und die Bereitstellung der Infrastruktur. Der Regierungsrat hat als Massnahme zur Entlastung der Gemeinden beschlossen, die zusätzlichen Personalaufwände ab dem 24. Februar 2022 bis Ende Schuljahr 2022/23 zu hundert Prozent durch den Kanton zu übernehmen. Zudem sollen überproportional betroffene Gemeinden bei der Bereitstellung von zusätzlicher Schulinfrastruktur durch den Kanton unterstützt werden. Weiter wird erwartet, dass rund vier Prozent aller Schutzbedürftigen ein Bildungsangebot auf der Sekundarstufe II insbesondere an der Kantonalen Schule für Berufsbildung (ksb) in Anspruch nehmen werden. Sowohl auf der Sekundarstufe II wie auch im Tertiärbereich (zirka 0,1 Prozent der Schutzbedürftigen) sind die Lernenden stipendienberechtigt. Zudem werden auch Menschen mit besonderen Betreuungsbedürfnissen unter den Flüchtlingen aus der Ukraine sein. Verlässliche Angaben zur Anzahl der zu betreuenden Personen sind aktuell schwierig zu erstellen. Insgesamt geht der Regierungsrat in den genannten Bereichen von Zusatzkosten für den Kanton von knapp 53 Millio-nen Franken für das Jahr 2022 und rund 142 Millionen Fran-ken für das Jahr 2023 aus.
Massnahmen in der Kompetenz des Regierungsrats
Jeder Person mit Schutzstatus S wird ein Ausweis im Kreditkartenformat ausgestellt. Die Erfassung des Gesichtsbilds und der Unterschrift im Ausweiszentrum Aargau (AWZ) sowie die Kontrolle und Erfassung der Personendaten der Schutzbedürftigen haben ebenfalls einen Mehraufwand zur Folge.
Für die Registrierung, Ausweiserstellung und die Bearbeitung von Arbeitsbewilligungsgesuchen von Personen mit Schutzstatus S hat der Regierungsrat 13,3 zusätzliche, bis Ende 2022 befristete Stellen bewilligt. Zwei davon werden bis Ende Juni 2023 weitergeführt, da sich der Zusatzaufwand im Bereich Arbeitsbewilligungen ins Jahr 2023 fortsetzen wird. Der zusätzliche Aufwand beträgt 1,3 Millionen Franken.
Arbeitsbewilligungsgesuche müssen von den Arbeitgebenden beim Amt für Migration und Integration (MIKA) eingereicht werden. Zum Schutz vor Lohndumping muss das Unternehmen insbesondere nachweisen, dass es die orts- und branchenüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen einhält. Die Prüfung der Gesuche für Arbeitsbewilligungen ist aufwändig. Damit die Geflüchteten ihren Lebensunterhalt eigenverantwortlich bestreiten können, werden die Gesuche nicht einfach abgelehnt, sondern das MIKA greift korrigierend ein. Ziel ist, darauf hinzuwirken, dass die Lohn- und Arbeitsbedingungen eingehalten werden.
Hohe Unsicherheit erfordert laufende Überprüfung der Situation
Die Sicherheitslage in der Ukraine verändert sich laufend und die Entwicklung ist kaum abschätzbar. Deshalb sind die benötigen zusätzlichen Finanzmittel und personelle Ressourcen zum heutigen Zeitpunkt insbesondere für das Jahr 2023 erst schwer abschätzbar. Der Regierungsrat wird die Situation laufend überprüfen, so dass neue Erkenntnisse bereits in die Beratung des Aufgaben- und Finanzplans 2023–2026 durch den Grossen Rat im nächsten Herbst einfliessen können.
Kapazitäts- und Eventualplanung
Der Kantonale Sozialdienst nimmt eine Kapazitätsplanung unter Berücksichtigung der kantonalen und kommunalen Kapazitäten sowie der Angebote von Privaten vor. Bezüglich der Privatunterbringungen fehlen zurzeit Erfahrungswerte, weshalb mit Annahmen gearbeitet wird. Aufgrund verschiedener möglicher Entwicklungen wird mit einer Abnahme der privaten Unterbringungsmöglichkeiten gerechnet. Kanton
und Gemeinden bereiten sich mit der Schaffung von zusätzlichem Wohnraum auf weitere Zuweisungen vor. Bei weiter hohen Zuweisungen muss damit gerechnet werden, dass auch temporäre unterirdische Unterbringungen in den geschützten Spitälern (GOPS) Muri, Aarau und Laufenburg, in Zivilschutzanlagen oder in militärischen Einrichtungen nötig werden können. Bei unterirdischen Unterkünften entsteht wegen des Brandschutzes ein hoher Personalaufwand, da die Betreuung rund um die Uhr erfolgen muss. Sie sind zu-dem nicht besonders wohnlich, weshalb die Schutzsuchenden, wenn immer möglich, überirdisch untergebracht werden.