Ein Produkt der  
Die grösste Wochenzeitung im Fricktal
fricktal info
Verlag: 
Mobus AG, 4332 Stein
  Inserate: 
Texte:
inserat@fricktal.info
redaktion@fricktal.info
Fricktalwetter
Überwiegend bewölkt
-0.1 °C Luftfeuchtigkeit: 94%

Samstag
1.9 °C | 6 °C

Sonntag
1.6 °C | 5.2 °C

Christine Neff, Co-Geschäftsleiterin Jurapark Aargau: «Dieses Forschungsprojekt ist für uns eine grosse Chance. Demgegenüber bietet der Jurapark Aargau Forschenden so viele Möglichkeiten zum Forschen, im vielfältigen Raum und mit engagierten Akteuren».Foto: © Yuri Schmid
Featured

So entsteht Praxis aus Forschung – Marktplatz und Podium zum Reallabor Jurapark Aargau

(ar) Auf Einladung des Jurapark Aargau und der Aargauischen Naturforschenden Gesellschaft haben sich über 70 Personen aus Forschung, Landwirtschaft und der Bevölkerung in der Schule Biberstein über vier laufende Experimente aus dem Reallabor Jurapark Aargau informiert. Eine Podiumsdiskussion über das Potential der Vernetzung von Forschung und Praxis bildete den Abschluss eines spannenden Nachmittags.

René Klemenz, Gemeinderat Biberstein: «Wir haben schon einige Projekte mit den Jurapark Aargau realisiert, zum Beispiel den Perimukweg. Die Gemeinde Biberstein profitiert von der Zusammenarbeit mit dem Jurapark Aargau.»Wie kann eine nachhaltige Zukunft hier und heute im Aargau aussehen? Im Reallabor Jurapark Aargau arbeiten Menschen aus der Region und Forschende des ETH-Bereichs seit 2023 eng zusammen, um genau das herauszufinden. Einen konkreten Einblick haben Interessierte in Biberstein erhalten, am «Markt der Realexperimente» – einer Ausstellung des Reallabors Jurapark Aargau. Präsentiert wurden laufende, praxisnahe Forschungsprojekte zu Themen wie Wasserrückhaltung mit Keyline Design, zukunftsfähige Grünräume, Landwirtschaft im Klimawandel und regionale Holznutzung. Sowohl Forschende als auch Besucherinnen und -besucher freuten sich über spannende Begegnungen und Gespräche.

Das Podium (vlnr): Unter der Leitung von Elisa Frank (Akademie der Naturwissenschaften Schweiz, scnat) diskutierten Leander Dalbert (Landwirt und Unternehmer), Isabelle Zutter (Jurapark Aargau), Mollie Chapman und Christian Pohl (beide ETH Zürich). Foto: © Yuri SchmidAngeregte Podiumsdiskussion
Was motiviert die verschiedenen Akteure, sich im Reallabor Jurapark Aargau zu engagieren? Welche Erfahrungen sammeln Menschen aus Forschung und Praxis bei dieser interdisziplinären Zusammenarbeit? Welche Erkenntnisse werden die Realexperimente überdauern? – Zu diesen Fragen bot das von der Aargauischen Naturforschenden Gesellschaft initiierte und organisierte Podium eine ideale Diskussionsplattform. Unter der Leitung von Elisa Frank vom Forum für Landschaft, Alpen und Pärke der Schweizerischen Akademie für Naturwissenschaften SCNAT diskutierten – mit aktiver Beteiligung des Publikums – der Landwirt und Forscher Leander Dalbert, Isabelle Zutter vom Jurapark Aargau gemeinsam mit ETH-Forscherin Mollie Chapman und Christian Pohl, Leiter des ETH-Transdisziplinaritäts-Labors.

Silvia Tobias (rechts), Leiterin Zentrum Landschaft WSL: «Es ist ein grosser Erfolg, dass wir diese vier Realexperimente gemeinsam auf die Beine gestellt haben. Bei jedem Event bin ich überrascht, mit wie viel Begeisterung und Herzblut Forschende und Menschen aus der Region zusammenarbeiten.»Eingangs erinnerte Jurapark Aargau Co-Geschäftsleiterin Christine Neff daran, wie die Zusammenarbeit von ETH Zürich mit dem Jurapark Aargau begann, als 2021 Studierende zum Thema «Umweltproblemlösen» im Jurapark Aargau unterwegs waren: «Christian Pohl hatte dann die Idee, das Projekt als Reallabor weiterzuführen.» Diese Idee fiel bei den Verantwortlichen des Jurapark Aargau auf fruchtbaren Boden, denn «wir sahen für uns einen Mehrwert, wenn Forschende sich näher mit dem Park auseinandersetzen.»
Für Mollie Chapman bietet das Reallabor eine gute Gelegenheit, praktisch zu arbeiten: «In meiner Forschung stehen Mensch und Gesellschaft im Zentrum. Durch meine langjährige Zusammenarbeit mit Landwirtinnen und Landwirten weiss ich, wie häufig sie experimentieren und Risiken eingehen – das bewundere ich sehr.» Der Landwirt Leander Dalbert engagiert sich beim Realexperiment «Keylines», da er durch die Anwendung des Keyline-Designs den Zeitaufwand für das Giessen neugepflanzter Bäume beträchtlich verringern möchte. Und gerade der Austausch mit Studierenden anderer Kulturkreise, so Leander Dalbert, hätten ihm wertvolle Erkenntnisse gebracht. Das diese Pionierarbeit aber mit viel zusätzlichem Engagement einhergeht, haben verschiedene Stimmen aus dem Publikum bekräftigt.

Alois Zwyssig (rechts), Präsident ANG: «Ergebnisse aus der Forschung möglichst praxisnah der breiten Bevölkerung zu vermitteln, dazu hat dieser Anlass beste Gelegenheit geboten. Ich freue mich auf einen nächsten Anlass mit dem Jurapark Aargau.»Isabelle Zutter, beim Jurapark Aargau für Raumentwicklung und Forschung zuständig, schätzt die Erfahrungen, die sie aus der Vermittlung von Forschenden und Landwirtinnen und Landwirt gewinnt: «Oftmals ist es nötig, zuerst Vorbehalte abzubauen.» Dies führe immer wieder zu guten Gesprächen. Eine Masterstudierende aus dem Publikum teilte ihre Erfahrung, wie sie morgens um 6 Uhr bei einem Bauern auf dem Hof erst bei der Kirschernte mithalf und dann ein Interview mit ihm führte. «Dieses gemeinsame Arbeiten gab eine gute Basis für unser Gespräch. Das war eine megacoole Erfahrung für mich.» Für Christian Pohl war es gerade in der Startphase wichtig, viel Zeit in die partizipativen Prozesse zu investieren. Gunthard Niederbäumer, Jurapark Aargau-Präsident und Vizeammann in Frick, treibt die Frage um, wie die Idee des Reallabors quasi in einen Dauerprozess gebracht werden kann.

Mit viel Passion halten Philipp Lischer (mit Mikrofon), ETH Zürich, und Tim Geiges, WSL, als Co-Projektleiter die Fäden des so breit angelegten Reallabor Jurapark Aargau zusammen.«Ergebnisse aus der Forschung möglichst praxisnah der breiten Bevölkerung zu vermitteln, dazu hat dieser Anlass beste Gelegenheit geboten», resümiert Alois Zwyssig, Präsident der Aargauischen Naturforschenden Gesellschaft die Essenz der Veranstaltung. Man habe eine Basis gelegt für den Dialog mit weiteren Partnern – und er ergänzt: «Wir freuen uns auf die nächste gemeinsame Veranstaltung mit dem Jurapark Aargau.» Mit diesem Schlusswort lud er die versammelte Teilnehmerschar zum anschliessenden Apéro ein, wo rege weiter diskutiert wurde.

Infobox
Reallabor Jurapark Aargau
Statt theoretischer Studien steht die Praxis im Mittelpunkt: Im Regionalen Naturpark Jurapark Aargau werden neue Ideen direkt vor Ort getestet, um zu erkennen, was im Alltag, in der Landwirtschaft und in den Parkgemeinden tatsächlich funktioniert. Ein zentrales Anliegen des Reallabors ist es, die Zusammenarbeit von Praxis und Forschung für die breite Bevölkerung erlebbar zu machen.

Infobox
Die vier Realexperimente – ein Überblick
ETH-Klimaforscher Michael Windisch berichtete über erste Erkenntnisse aus dem Realexperiment «Grünflächen der Zukunft». Mit einem Gerät für Hitzestressmessung, das die gefühlte Temperatur misst und auch von der Suva oder bei Sportereignissen eingesetzt wird, wurden im vergangenen August bei der Schule Frick und beim Rehmann-Museum in Laufenburg Messungen durchgeführt. «Wir haben auf asphaltierten Belägen und Grünflächen gemessen, mit und ohne Bäume; dabei haben wir bis zu sieben Grad Unterschied in der wahrgenommenen Temperatur festgestellt», erklärte Michael Windisch und untermauert damit, wie entscheidend für tiefere Temperaturen bei Verweilflächen Schattenspender wie Bäume und Grünflächen sind.
Ein weiteres Realexperiment widmet sich den sogenannten «Keylines», welche die Wasserrückhaltefähigkeit in der Landschaft zum Schutz von Trockenheit und Bodenerosion verbessern. Johanna Jacobi, sie forscht und lehrt zur agrarökologischen Transitionen an der ETH Zürich, warf den Fokus darauf, Landwirtschaft als Kulturlandschaft zu denken: «Der Jurapark Aargau bietet mit seiner kulturellen Biodiversität gute Gelegenheit, verschiedene Typen von Keylines anzuwenden und so beispielsweise mit Landschaftselementen wie Hecken zusätzlich zur Regelegung des Oberflächenabflusses die Biodiversität zu fördern und neuen Lebensraum für Tiere und Pflanzen zu schaffen.» Eine Studentin hat zudem mit ihrer Masterarbeit einen Arbeitshilfe entwickelt, welcher die Landwirte bei der Umsetzung von neuen Keylines unterstützen soll.
Im Zusammenhang mit dem Realexperiment «Radikal regionale Holznutzung» befasst sich ETH-Forscherin und Dozentin Catharina Bening mit der Frage, wie die Wertschöpfung von sogenanntem Zweitklassholz im Jurapark Aargau erhöht werden könnte. In einem im September gestarteten Kurs entwickeln Studierende dazu verschiedene Geschäftsmodellideen. «Noch sind wir in einer Frühphase mit vielen Ideen, aber eine Gruppe von Student:innen könnte sich vorstellen, zusammen mit Familien und Kindern im Jurapark Aargau einen Spielplatz aus Zweitklassholz zu gestalten» Eine weitere Idee besteht darin, Holzbalken aus zurückgebauten Häusern für den Trend des «Shabby Chic» nutzbar zu machen und sie so einer möglichen Wiederverwendung zuzuführen.
Beim vierten Realexperiment geht es um eine «Massgeschneiderte und datengestützte Begleitung von Landwirtschaftsbetrieben im Klimawandel». Konkret helfen Bodenökologen der ETH den Landwirtinnen und Landwirten mit speziellen Messmethoden festzustellen, ob frühere Massnahmen der Regenerativen Landwirtschaft bereits positive Veränderungen der Bodeneigenschaften bewirkt haben. Ergänzt wird dieses Realexperiment mit einer qualitativen Sozialforschung. ETH-Forscherin Mollie Chapman will zusammen mit Masterstudierenden anhand bereits geführter Interviews herausfinden, was ein gutes Beratungsangebot ausmacht und welche Rolle die persönlichen Beziehungen dabei spielen. Entstanden sind eindrückliche Filmsequenzen aus einem der Interviews.
Unter dem Dach der vier Realexperimente existieren bereits weitere Projekte oder sind dabei zu entstehen.

Bilder
Erstes Bild: Christine Neff, Co-Geschäftsleiterin Jurapark Aargau: «Dieses Forschungsprojekt ist für uns eine grosse Chance. Demgegenüber bietet der Jurapark Aargau Forschenden so viele Möglichkeiten zum Forschen, im vielfältigen Raum und mit engagierten Akteuren». Foto: © Yuri Schmid
Zweites Bild: René Klemenz, Gemeinderat Biberstein: «Wir haben schon einige Projekte mit den Jurapark Aargau realisiert, zum Beispiel den Perimukweg. Die Gemeinde Biberstein profitiert von der Zusammenarbeit mit dem Jurapark Aargau.»
Drittes Bild: Das Podium (vlnr): Unter der Leitung von Elisa Frank (Akademie der Naturwissenschaften Schweiz, scnat) diskutierten Leander Dalbert (Landwirt und Unternehmer), Isabelle Zutter (Jurapark Aargau), Mollie Chapman und Christian Pohl (beide ETH Zürich). Foto: © Yuri Schmid
Viertes Bild: Silvia Tobias (rechts), Leiterin Zentrum Landschaft WSL: «Es ist ein grosser Erfolg, dass wir diese vier Realexperimente gemeinsam auf die Beine gestellt haben. Bei jedem Event bin ich überrascht, mit wie viel Begeisterung und Herzblut Forschende und Menschen aus der Region zusammenarbeiten.»
Fünftes Bild: Alois Zwyssig (rechts), Präsident ANG: «Ergebnisse aus der Forschung möglichst praxisnah der breiten Bevölkerung zu vermitteln, dazu hat dieser Anlass beste Gelegenheit geboten. Ich freue mich auf einen nächsten Anlass mit dem Jurapark Aargau.»
Sechstes Bild: Mit viel Passion halten Philipp Lischer (mit Mikrofon), ETH Zürich, und Tim Geiges, WSL, als Co-Projektleiter die Fäden des so breit angelegten Reallabor Jurapark Aargau zusammen.