Nach zweijährigem, coronabedingten Unterbruch war am Sonntag wieder slowUp am Hochrhein. Gerechnet hatten die Veranstalter mit 20 000 bis 30 000 Teilnehmenden. Gekommen sind schliesslich rund 15 000. Mit 36 Grad im Schatten war es wohl für viele einfach zu heiss. Die Schreibende hat es trotzdem gewagt. Ein Selbsterfahrungsbericht.
SONJA FASLER HÜBNER
«Pling» – Es ist Samstagabend und meine Tochter schreibt mir eine Whatsapp: «Mama, morgen wird es 36 Grad, wollen wir wirklich gehen?». «Klar», lautet meine knappe Antwort. Schliesslich sind wir zwei eingefleischte slowUp-Teilnehmerinnen und haben kaum einen verpasst. Die angekündigte Hitze macht mir allerdings auch Sorgen, da ich keineswegs eine Sonnenanbeterin bin. Doch in der Redaktion habe ich bereits grossspurig angekündigt, ich würde natürlich teilnehmen und darüber berichten. Kneifen geht also nicht. «Wollen wir die Velos nicht wenigestens ins Auto laden und erst ab Eiken fahren,» lautet die nächste Nachricht. «Nein, geht nicht.» Drei Fahrräder – ihr Freund kommt auch mit – werden wir nicht in den Kofferraum meines Autos kriegen. Also werden es noch gute 25 Kilometer mehr, als die 32 Kilometer lange slowUp-Strecke.
Kurz nach zehn Uhr brechen wir auf, nicht ohne uns vorher von Kopf bis Fuss mit Sonnencreme bestrichen und literweise Wasser eingepackt zu haben. Velo gepumpt, Kette geölt, Fahrradhelm auf und los geht’s. Es ist jetzt schon heiss, aber auf der Strecke bis zum Kieswerk Eiken ist es dank dem angenehm kühlen Fahrtwind noch einigermassen auszuhalten.
Nach dem Festplatz, wo die Eröffnung stattgefunden hatte, folgt die Strecke durch den Hardwald nach Kaisten. Hier ist es dank der Schatten spendenden Bäume zwar angenehm, die Strasse ist allerdings schmal und deshalb ist bei diesem «Nadelöhr» immer Vorsicht geboten. Rechts fahren, links überholen? Fehlanzeige. Würden sich alle an ein paar grundlegende Verkehrsregeln halten, wäre der eine oder andere Zusammenstoss vermeidbar. Aber die gesperrten Strassen verleiten natürlich schon dazu für einmal die ganze Fahrbahnbreite so richtig auszukosten und alle jemals gelernten Verhaltensregeln über Bord zu werfen. Die Spielwiese der Migros vor dem Schulgelände in Kaisten ist immer ein Magnet für Gross und
Klein. Hier kann man beim Bällewerfen auf die Zielscheibe kleine Preise wie Kühlschrankmagnete, Rückstrahler, Stickers und anderes mehr gewinnen. Oder auf einem der Liegestühle etwas ausruhen und einen Apfel geniessen sowie die Wasserflasche wieder auffüllen – besonders wichtig an dem heissen Tag. Auf der breiten Fahrbahn von Kaisten bis Laufenburg ist zwar genug Platz vorhanden, um sich auszutoben, doch Schatten gibt es hier nirgends. Eine Abwechslung bietet lediglich der Stand des Köhlerfest-OKs, wo es beim Glücksrad ein paar tolle Preise zu gewinnen gibt. Ein Müesliriegel oder ein kühles Süssgetränk wird einem dieses Jahr unterwegs nicht gereicht – man merkt es deutlich, dem slowUp fehlen die Sponsoren.
In Laufenburg werden die slowUp-Teilnehmer mit Kirschen empfangen. Eine Stärkung vor dem grössten Anstieg
der Strecke: Von der Laufenbrücke die Altstadt auf deutscher Seite hinauf. Und nach Murg kommt die Durststrecke. Hier, sozusagen auf dem «Death Valley» des slowUp, brennt die Sonne erbarmungslos auf die Radfahrer herab, die sich auf der B34 abstrampeln bis sie endlich in Obersäckingen Richtung Altstadt abbiegen können. Vom Rhein her weht eine angenehme Brise, bis es zwischen in den Gassen der Säckinger Altstadt wieder sengend heiss und eng wird.
Ein Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes und später auch der Veranstalter bestätigen meine Beobachtung: Morgens – sogar schon vor der Eröffnung – war die Strecke sehr gut befahren. Doch gegen Mittag hat sich das Feld immer mehr gelichtet. Auch ich kann mich an keinen slowUp mit so wenigen Teilnehmern erinnern. Auch er stellt fest, dass immer mehr E-Bike-Fahrer unterwegs sind, was das gesamte Tempo zu steigern scheint. Positiv zu werten sei, dass deutlich mehr Radfahrer einen Helm tragen als früher, sagt der DRK-Mitarbeiter. Auf dem Münsterplatz herrscht Feststimmung. Hier «höcklen» die Leute gerne etwas, essen und
trinken und lassen sich durch die Musikband unterhalten, die auf der Bühne einen Ohrwurm nach dem anderen spielt.
Auf der zweiten Migros-Spielwiese in Stein herrscht gähnende Leere. Offenbar ist es den meisten Leuten inzwischen zu heiss, um bei einem Wissens-Quiz noch die grauen Zellen anzustrengen - wir tun es trotzdem.
Jetzt folgt der Endspurt, der nochmals allen die Schweissperlen auf die Stirn treibt. Von Stein über Sisseln nach Eiken sind die schattigen Stellen rar. Und als wir wieder am Ausgangsort ankommen wünschte ich, wir könnten jetzt ins klimatisierte Auto steigen und damit heimbrausen. Doch die kalte Dusche daheim müssen wir uns jetzt noch hart erarbeiten. Denn wenn’s beim Hinweg bergab geht, geht’s beim Heimweg logischerweise bergauf. Wir schaffen es gottseidank, ohne mit Hitzschlag vom Velo zu kippen, und sind nun doch etwas stolz auf uns.
Laut dem Veranstalter ging der 17. slowUp Hochrhein trotz der hohen Temperaturen ohne
grössere Zwischenfälle über die Bühne. Erstaunlich sei, dass am Nachmittag bei der Hitze überhaupt noch so viele Leute unterwegs gewesen seien, schreibt Wendel Hilti von der Geschäftsstelle des Vereins slowUp Hochrhein. «Gefordert waren bei der Hitze auch die vielen Streckenposten und Sanitätsdienste, die Vignettenverkäufer und die zahlreichen Vereine, welche den ganzen Tag grossen Einsatz leisteten. Nach zweijährigem Unterbruch war der diesjährige slowUp wieder ein riesen Erfolg», zieht er Bilanz.
Der nächste slowUp Hochrhein findet übrigens am 18. Juni 2023 statt. Für diejenigen, die nicht so lange warten wollen und gerne bei etwas kühleren Temperaturen unterwegs sein möchten, gibt’s in der Region am 18. September den slowUp Basel-Dreiland zwischen den beiden Rheinfelden und Basel.