Ein Produkt der  
Die grösste Wochenzeitung im Fricktal
fricktal info
Verlag: 
Mobus AG, 4332 Stein
  Inserate: 
Texte:
inserat@fricktal.info
redaktion@fricktal.info
Fricktalwetter
Ein paar Wolken
10.8 °C Luftfeuchtigkeit: 94%

Mittwoch
10.7 °C | 18.6 °C

Donnerstag
10.3 °C | 16.8 °C

Susi Horvath zusammen mit Kurt Adler, Initiator der Notschlafstelle und Klaus Hollinger, Präsident der röm.-kath. Kirchgemeinde Zuzgen. Foto: Fritz Imhof
Featured

Notschlafstelle, ein Zuhause auf Zeit – Vortrag in Zuzgen

(im) Die Leiterin der Notschlafstelle Aargau stellte in Zuzgen ihre Arbeit vor und sprach über die schönen und herausfordernden Aspekte dieser Pionierarbeit und stiess dabei auf grosses Interesse. Organisiert wurde der Anlass von der Ökumene Wegen­stettertal.

Vor rund 15 Jahren scheiterte ein erstes Konzept für eine Notschlafstelle im Aargau. Doch die Idee liess sich nicht unterdrücken: 2018 griff die Stiftung Hope sie wieder auf und fragte bei den Landeskirchen im Aargau um Mitarbeit und Unterstützung nach. Dazu wurde ein tragfähiges Konzept entwickelt. Nach unzähligen Gesprächen mit Nachbarn, Polizei und Behörden konnte ein Klima des Vertrauens geschaffen werden – nur die Finanzierung war zunächst ein Hindernis, berichtete die aktuelle Leiterin, die Zuzgerin Susi Horvath am 15. September im Kirchgemeindezentrum Zuzgen. Der Kanton leistete von Anfang an Beiträge, heute etwas mehr. Ebenso unterstützten die Landeskirchen das Projekt von Anfang an. 2019 wurde der Verein Notschlafstelle gegründet, im August folgte die feierliche Eröffnung in der Badener Altstadt. In der allerersten Nacht suchten bereits drei Gäste Schutz. Seither ist die Notschlafstelle ein fester Bestandteil der sozialen Landschaft des Kantons.
Leiterin Susi Horvath ist bis heute überrascht über das grosse öffentliche Interesse. «Viele wissen gar nicht, dass es dieses Thema gibt – und doch kann Obdachlosigkeit jeden von uns treffen», sagt sie. Ihr Anliegen ist es, die Geschichten dieser Menschen sichtbar zu machen. «Unsere Gäste tragen schwer an ihrem Rucksack. Deshalb behandeln wir sie wie Gäste: mit einem sauberen Bett, einem guten Essen und Würde.»

Das Team der Notschlafstelle mit Susi Horvath (vorne). Foto: zVgWie Gäste behandelt
Die Notschlafstelle bietet 17 Betten in sieben Zimmern auf vier Stockwerken. Viele Gäste sind sucht- oder psychisch belastet, zunehmend auch Frauen mit komplexen psychischen Störungen. Der Eintritt ist zwischen 20 und 23 Uhr möglich, ein Gespräch gehört immer dazu. Alkohol, Drogen und gefährliche Gegenstände sind verboten. Wer solche Gegenstände mitbringt oder von Substanzen stark beeinträchtigt ist, wird kontrolliert, bleibt aber willkommen. Respekt, Verbindlichkeit und klare Regeln bilden den Rahmen.
Das Haus ist schlicht, aber gepflegt: Lavabo im Zimmer, Dusche und WC auf der Etage, täglich frische Handtücher. Kaffee, Kuchen und manchmal Kleider werden gespendet. Jeder Gast zahlt fünf Franken pro Nacht, im Notfall wird auch darauf verzichtet. Die effektiven Kosten liegen bei über 100 Franken – ohne Spenden wäre der Betrieb nicht möglich.

Susi Horvaths Präsentation stiess auf grosses Interesse. Foto: Fritz Imhof14 Freiwillige für 365 Tage
Ein tragendes Fundament sind die 14 freiwilligen Helferinnen und Helfer sowie drei Reinigungskräfte, die 365 Tage im Jahr im Einsatz stehen. Sie arbeiten in 12- bis 14-Stunden-Schichten, erhalten 100 Franken pro Nacht und besuchen jährlich obligatorische Weiterbildungen unter anderem in Brandschutz und Erster Hilfe. Ihre Aufgabe ist viel mehr als Kochen und Ordnung halten: es braucht Empathie, Belastbarkeit und Durchsetzungsvermögen – und vor allem Freude am Menschen. «Manchmal genügt es, zuzuhören oder eine Umarmung zu schenken», sagt Horvath. «Viele unserer Gäste kennen niemanden, der es wirklich gut mit ihnen meint.»
Die Zusammenarbeit mit Polizei, Feuerwehr und Sanität ist eingespielt. Grössere Zwischenfälle gab es bisher keine, 99 Prozent der Nächte verlaufen ruhig. Während Corona musste das Schutzkonzept angepasst werden, doch die Notschlafstelle blieb ohne Krankheitsfälle. Schwierig war vor allem die Zunahme psychischer Erkrankungen unter den Gästen.
Ausgebucht
Heute ist die Notschlafstelle fast immer ausgebucht – besonders im Sommer. Ein Zeichen, dass der Bedarf hoch bleibt. Für Susi Horvath ist die Arbeit mehr als eine Aufgabe: «Es ist ein Vorrecht, Menschen für eine Nacht ein Dach über dem Kopf zu geben. Jeder Mensch hat das Recht, eine Nacht sorgenlos verbringen zu können.»

Bilder
Erstes Bild: Susi Horvath zusammen mit Kurt Adler, Initiator der Notschlafstelle und Klaus Hollinger, Präsident der röm.-kath. Kirchgemeinde Zuzgen. Foto: Fritz Imhof
Zweites Bild: Das Team der Notschlafstelle mit Susi Horvath (vorne). Foto: zVg
Drittes Bild: Susi Horvaths Präsentation stiess auf grosses Interesse. Foto: Fritz Imhof