«Als ich ankam, war es stürmisch – und es schneite mitten im Juni», erinnert sich Fabienne Hüsser und lacht. Davon liess sich die 21-Jährige jedoch nicht abschrecken. Drei Monate lang lebte und arbeitete die Zeiherin im Osten Islands. Ein Kindheitstraum ging damit in Erfüllung: «Die Natur, die Nordlichter, die Ruhe – das hat mich schon immer fasziniert.»
SONJA FASLER
Die gelernte Hotelfachfrau stiess eher zufällig auf die passende Gelegenheit. In der SRF-Sendung «Auf und davon» lernte sie die Auswanderer Steff und Isabelle Felix kennen. Die beiden Schweizer hatten sich 2022 ein riesiges Grundstück in der Nähe des Hengifoss-Wasserfalls mit zwei Gebäuden gekauft, mit drei Tiny-Häusern ergänzt und so die «Hengifosslodge» aufgebaut. Während der Saison brauchen sie jeweils Unterstützung in ihrer Ferienanlage. Als sie auf ihrer Website sah, dass noch eine Saisonstelle frei war, bewarb sich Fabienne Hüsser spontan.
So stand Fabienne im Juni inmitten der schönen Landschaft Ostislands, umgeben von Bergen, Wasserfällen und unzähligen Schafen. «Die Lodge liegt 30 Kilometer entfernt von der Ringstrasse, wo alle Touristen vorbeikommen, aber sonst ist es sehr ruhig dort.» Die Zeiherin wohnte zusammen mit Steff, Isabelle und Hund Theo in einem Zimmer in deren Haus. «Ich fühlte mich sehr wohl dort, und wir hatten es so toll miteinander», schwärmt sie.
Die nächstgelegene Stadt heisst Egilsstadir, zählt rund 2600 Einwohner und liegt rund eine halbe Autostunde entfernt. Dort gibt es Lebensmittelläden, Restaurants und Tankstellen. «Die Leute leben deutlicher einfacher als wir», stellte die junge Zeiherin fest.«Mädchen für alles» auf der Lodge
Die Arbeit in der Ferienanlage war vielseitig – und genau das gefiel ihr. Nebst Fabienne Hüsser waren noch zwei Saisonangestellte aus Polen im Einsatz, mit denen sie sich super verstand – genauso wie mit den Arbeitgebern. «Morgens haben wir die Appartements geputzt, abends die Gäste empfangen. Ich habe an der Rezeption gearbeitet, Betten gemacht und zwischendurch in der Werkstatt geholfen. Steff ist ein richtiger Allrounder – er baut, repariert und tüftelt an allem selbst. Ich durfte oft mit anpacken.»Auch als Tierliebhaberin kam sie voll auf ihre Kosten. «Während meines Aufenthalts gab es Familienzuwachs: zwei Islandpferde.» Sie half beim Einzäunen der Weiden und durfte sogar ausreiten. Am liebsten ging sie mit Mischlingshund Theo spazieren.
Ein Höhepunkt war für sie das Aufforstungsprojekt der Hengifosslodge, das dazu dient, die Bodenerosion zu bekämpfen. Wer will, kann sich einen Baum kaufen und ihn nach Wunsch mit seinem Namen versehen lassen. «Wir pflanzten 2500 Bäumchen – Lärchen, Tannen, Birken. Dass Island so karg ist, liegt nicht nur am Klima, sondern auch daran, dass die Wikinger fast alle Wälder abgeholzt haben. Heute wächst langsam wieder Wald. Es war unglaublich schön, Teil davon zu sein.»
Eine der Lärchen durfte sie vor der Heimreise für sich aussuchen. Auf dem Holzpfosten daneben steht ihr Name. Sie sei jetzt stolze Besitzerin eines Baumes in Island, erzählt sie lachend.Naturerlebnisse zum Staunen
Neben der Arbeit blieb Zeit für Ausflüge – und die prägten sie besonders. «Ich habe tausende Papageientaucher aus nächster Nähe gesehen, das war magisch. Auch der Studlagil Canyon und der Hengifoss-Wasserfall waren Highlights. Einmal durfte ich mit ins Hochland und in einer heissen Quelle baden – ein unvergessliches Erlebnis.»
Auch kleine Alltagsmomente bleiben ihr im Gedächtnis: «Wir hatten einen wunderbaren Sommer mit Höchsttemperaturen um die 20 Grad, aber schon bei 15 Grad fühlt es sich wie Hochsommer an. Und dass es fast rund um die Uhr hell war – das war schon speziell. Langweilig wurde es mir nie.»Zum Ende ihres Aufenthalts erlebte sie noch den traditionellen «Schafabzug». «Die Tiere laufen den ganzen Sommer frei herum und werden dann von allen gemeinsam zusammengetrieben und sortiert. Das mitzuerleben, war wahnsinnig eindrücklich.»
Und natürlich durfte ein echtes Island-Erlebnis nicht fehlen: «Anfang September habe ich die Nordlichter gesehen – das war wirklich ein Traum.» Obwohl ein Land der Sagen, Feen und Trolle, hatte sie keine entsprechenden Begegnungen. «In der Region soll es den Lagarfljotwurm geben, ein Ungeheuer, das im See lebt.» Fabienne Hüsser hat ihn nicht gesehen – aber die Geschichte fand sie wunderbar schräg.Ein Wiedersehen in Reykjavík
Zum Abschluss ihres Abenteuers bekam Fabienne Besuch aus der Heimat: Ihre Eltern und ihr Bruder reisten nach Reykjavík, um sie abzuholen. «Wir haben uns dort ein paar Tage Zeit genommen, die Hauptstadt und deren Umgebung zu erkunden. Das war ein schöner Abschluss, bevor ich wieder ins Flugzeug stieg.»Zurück in der Heimat
Obwohl sie sich in Island sofort zuhause fühlte, denkt Fabienne nicht ans Auswandern. Für Ferien sei es wunderbar – aber ihr Leben bleibe in der Schweiz. Zurück in Zeihen hat sie an einem neuen Ort eine Anstellung als Hotelfachfrau angenommen. Einen Tag pro Woche reserviert sie für ihren Hundecoiffeursalon im Dorf, den sie bei ihrem Grosi eingerichtet hat. Sie liebt Tiere und ganz besonders Hunde. So sei die Arbeit im Salon ein schöner Ausgleich zu jener im Hotel.
Doch eines steht für sie fest: «Ich werde auf jeden Fall nach Island zurückkehren. Schon allein, um das Ehepaar Felix zu besuchen und zu sehen, wie mein Bäumchen wächst.»