(bk) Auf diese Frage eine Antwort zu geben, fällt vielen von uns nicht immer leicht. Wie wir uns selbst sehen, das ist prägend für das Selbstbild. Wie und wodurch dieses Bild geformt wird, darüber sprach am Samstag Dr. Christian Hawellek, Leiter des Norddeutschen Marte Meo Instituts, an einer Tagung in Wallbach.
Ein Bild ist normalerweise etwas starres. Das trifft beim Selbstbild jedoch nicht zu. Gleich zu Beginn betonte der Referent, dass das Selbstbild eines Menschen alles andere als starr ist. Im Gegenteil, es handelt sich um eine Geschichte, die laufend an die Realität angepasst werden darf und muss und somit eine dauerhafte Aufgabe im Leben von uns allen ist.
Um darüber mehr zu erfahren, waren die rund 30 Teilnehmenden aus der ganzen Schweiz angereist. Sie alle sind in den Bereichen Erziehung, Betreuung, Pflege oder Bildung tätig. Die meisten von ihnen sind bereits in der videobasierten Methode Marte Meo ausgebildet und wenden diese in ihrer täglichen Arbeit an. Einige wurden von Claudia Berther, lizenzierte Marte-Meo-Supervisorin und Organisatorin des Anlasses, ausgebildet und nutzten gerne die Möglichkeit zur Weiterbildung und gleichzeitig zum Austausch mit Berufskolleginnen und Berufskollegen.
Selbstbild entwickeln
Vom ersten Tag an auf dieser Welt entwickeln Säuglinge ihre Geschichte, ihr Selbstbild. Die liebevolle Zuwendung der Eltern oder anderer Bezugspersonen ist äusserst wichtig, ja lebenswichtig. Ein kurzes Video mit einer Mutter und ihrem Säugling demonstrierte eindrücklich, wie das im optimalen Fall aussehen kann. Die Mutter ist ganz bei ihrem Kind mit einem freundlichen Gesicht, sagt, was sie gerade tut, wiederholt ihre Worte und gibt dem Baby Raum und Zeit, von sich aus aktiv zu werden. Dieses «Warten können» auf die Initiative des Babys und dann darauf zu reagieren, ist «ein goldenes Geschenk». Das Kind spürt: Ich bin wichtig, ich werde gesehen.
Ein solch guter Start ins Leben gelingt nicht immer. Manche Familien haben es nicht so leicht und es gibt Hindernisse auf dem Lebensweg. Diese Familien und insbesondere die Kinder können gezielt darin unterstützt werden, neue Bilder von sich zu entwickeln und ihr Leben dadurch gut zu meistern.
Das gezeigte Video stammt von Maria Aarts, der Entwicklerin der Marte-Meo-Methode. Von ihr und der von ihr entwickelten Methode hörte der Referent erstmals 1990. Ihn überzeugte das Konzept von Anfang an. Als Leiter einer Familien- und Erziehungsberatungsstelle war er täglich mit Familien konfrontiert, die nicht mehr weiterwussten. Mittlerweile wird die Methode in über 50 Ländern gelehrt und angewandt.
Aus eigener Kraft
Was bedeutet Marte Meo? Sinngemäss heisst Marte Meo «aus eigener Kraft». Menschen werden mit deren Einverständnis bei alltäglichen Handlungen gefilmt. Danach schaut sich die Fachperson das Filmmaterial an, mit einem gezielten Blick darauf, wo Bedürfnisse bestehen und wo Ressourcen vorhanden sind. In der nächsten Besprechung werden die Videoausschnitte gemeinsam angeschaut – sogenannte Reviews – mit dem bewussten Blick auf die Dinge, die gut sind. In Krisenzeiten liegt der Fokus oft nur noch auf den Problemen. Die Videos zeigen den Beteiligten, was gut läuft. Diese Momente wahrzunehmen, zu verinnerlichen und weiterzuentwickeln, das ist die Stärke von Marte Meo.
Eine Fähigkeit ist dabei ganz entscheidend: Genau hinzuschauen und zu beobachten. Das klingt im ersten Moment simpel. Im alltäglichen Umgang mit Mitmenschen wird sehr oft vorschnell ein Urteil gefällt, weil man sich nicht die Zeit nimmt, genau hinzuschauen.
Weitere Videoausschnitte aus der Praxis führten dies dem Publikum eindrücklich vor Augen. Eine Tagungsteilnehmerin nennt es «die Kraft des liebevollen Blickes». Raum geben, warten können und nuanciertes Feedback geben sprich ganz konkret zu benennen, was der Person gut gelingt, sind einige Merksätze aus der Weiterbildung nach Marte Meo. Wenn wir alle davon etwas in unseren Alltag übernehmen können, umso besser. Oft sind es gerade die kleinen aber feinen Unterschiede, die Grosses bewirken.