«Das Interesse an der Messe in Stein ist weiterhin riesig.» Dieser Überzeugung war am Freitag Heinz Frei, Vizepräsident vom Auto Gewerbe Verband Schweiz (AGSV), als er die zwölfte Steiner Autoausstellung im Sport- und Freizeitcenter Bustelbach eröffnete. Grosse Automessen litten unter der Absenz grosser Marken. Die Messe in Stein habe mit ihren 100 Autos von 17 Ausstellern und 21 Marken offenbar genau die richtige Grösse und vor allem ein familiäres Umfeld, das sowohl auf Aussteller als auch auf Besucher anziehend wirke.
JÖRN KERCKHOFF
Es ist keine leichte Zeit für Autohändler, auch das sprach Heinz Frei an. Zum einen seien potenzielle Neuwagenkäufer verunsichert, für welchen Antrieb sie sich nun entscheiden sollen: Benziner, Diesel, Hybrid oder Elektroauto? Dies sei eine der Fragen, die Autokäufer interessierten. «Diese Frage kann aber hier bei der Messe in Stein beantwortet werden», zeigte sich Frei optimistisch. Die Auswahl bei den Antrieben werde grösser und damit auch der Mix auf den Strassen. Im Jahr 2000 seien in der Schweiz insgesamt etwa 3,54 Millionen Personenwagen zugelassen gewesen. Davon 95 Prozent Benziner, vier Prozent Diesel und ein Prozent übrige Antriebe. Von den knapp 4,69 Millionen Personenwagen, die im vergangenen Jahr zugelassen gewesen seien, seien 65 Prozent Benziner gewesen, 29 Prozent Diesel, und sechs Prozent alternative Antriebe. Auch wegen dieses Wandels und den damit verbundenen Herausforderungen in der Ausbildung sieht Frei eine grosse Zukunft für die Berufe im Autogewerbe.
Autokauf nicht oben auf der Prioritätenliste
Steht diese Aussage nicht im Widerspruch dazu, dass im Jahr 2021 beinahe 100 000 Personenwagen weniger zugelassen wurden als in den Jahren zuvor? «In den guten Jahren haben wir in der Schweiz rund 340 000 Neuwagen verkauft, im vergangenen Jahr waren es tatsächlich nur 250 000. Das ist ein erheblicher Einschnitt», so Frei. Die Gründe dafür seien vielschichtig. Zum einen habe bereits die Corona-Krise für einen Rückgang bei den Autoverkäufen gesorgt, die neuerliche Krise mit dem Krieg in der Ukraine und der daraus resultierenden Inflation mache die Leute zusätzlich zurückhaltend. «Ein Autokauf ist nicht das, was bei vielen Menschen im Moment ganz oben auf der Prioritätenliste steht», erklärt Heinz Frei im Gespräch mit fricktal.info.
Es gebe aber noch weitere Gründe, ausser den Krisen der Gegenwart: «Der Bau eines Autos ist heute viel aufwändiger als noch vor ein paar Jahren. Etwa in Bezug auf die Vorgaben beim Kohlendioxidausstoss. Ausserdem nimmt der Punkt der Sicherheit einen immer höheren Stellenwert ein. Heute muss in jedem Neuwagen ein Alarmsystem eingebaut sein, dass im Falle eines Unfalls, nach dem der Fahrer nicht mehr reagiert, einen Alarm absetzt. Solche Komponenten kosten Geld und machen ein Auto teurer.»
Frei nennt dazu ein Model eines Herstellers aus Südkorea, das man vor wenigen Jahren noch für unter 8000 Franken habe kaufen können. Das gleiche Auto mit der heute vorgeschriebenen Ausstattung und der Preissteigerung durch die Inflation koste jetzt mehr als 14 000 Franken. So sagt Heinz Frei denn auch: «In Zukunft wird sich nicht mehr jeder ein Auto leisten können. Zumindest keinen Neuwagen.»
Eine Aussage, die bei Verbrauchern und Autohändlern gleichermassen für Schrecken sorgen dürfte und deutlich macht, dass der Wandel in der Automobilbranche noch nicht abgeschlossen ist. «Allerdings», auch das macht Frei deutlich, «gibt es ja nicht nur den Verkauf, sondern auch den Service.» Wenn die Autoflotte in der Schweiz – die aktuell zu den jüngsten weltweit gehöre – älter werde, müssten die Autos auch zunehmend gewartet und gepflegt werden. Und darauf könnten sich die Garagen mit guter Ausbildung ihres Nachwuchses einstellen.
Alles eine Frage der Perspektive
«Veränderungen hat es immer gegeben und bei jeder Veränderung gibt es auch mindestens immer zwei Perspektiven, aus denen man das Ganze betrachten kann», sagt dazu Chris Regez, Inhaber der CR Communications GmbH und Mitorganisator der Autoausstellung in Stein. «Offen sein für Neues und Kundennähe sind sicher zwei Aspekte, um auf die aktuelle Situation zu reagieren», so Regez.
Käufer müssen Geduld haben
Hat man sich doch zum Kauf eines Neuwagens entschlossen, dann heisst das aber selten, dass man gleich losfahren kann – jedenfalls nicht, wenn man sich ein Auto mit der persönlichen Wunschkonfiguration bestellt hat. «Wir haben jetzt vier Neuwagen bekommen, die wir im Januar 2021 bestellt haben», berichtet Marcus Hasler, Inhaber der Hasler Automobile AG, aus Hellikon. Die Wartezeiten seien lang, die Gefahr, dass sich mögliche Kunden nach Direktimporten aus Deutschland umsehen, wie vor einigen Jahren, sei aber inzwischen geringer – abhängig von der Marke. «Die Händler in Deutschland können auch nicht schneller liefern. Bei Marken wie BMW oder Mercedes gibt es das noch eher, weil da die Preisunterschiede grösser sind.» Aber sowohl beim Kauf als auch beim Service sei die Abwanderung ins Nachbarland seiner Einschätzung nach nicht so gross wie man meinen könnte.
Vom kleinen Flitzer bis zur Nobelkarosse ist alles da
Rund 100 Autos auf Hochglanz poliert warten jedenfalls auf die neugierigen Besucher, die sich über die neueste Technik informieren wollen. Vom kleinen Fiat 500 bis zur Luxuskarosse Maibach aus dem Hause Mercedes Benz – wer sich den leisten kann, dem ist auch der Benzinpreis egal – ist alles da, was das Herz begehrt. Und natürlich warten alle Händler auch mit den neuesten Elektro- und Hybridfahrzeugen auf. Das Motto bei so einer Autoausstellung lautet «erstmal schauen, gekauft wird später». Und so wird sich denn auch erst in den kommenden Monaten in den Auftragsbüchern der Garagen zeigen, ob die Messe in Stein ein Erfolg war.
Am Montag zeigte sich Heinz Frei überwiegend zufrieden mit der Automesse. «Wir hatten ein strenges, aber schönes Wochenende», lautete das Resümee. Dies bestätigten auch die Rückmeldungen, die er von den Teilnehmern bekommen habe. Das Interesse an neuen Fahrzeugen sei gross, die Verunsicherung aber ebenso. «Wie schon im Vorfeld vermutet, wissen viele Leute nicht, welches der richtige Antrieb für sie ist, andere sind in der aktuellen Situation generell zurückhaltend mit dem Kauf eines neuen Autos.» Klar sei aber auch, dass früher oder später der Kauf getätigt werde, und dann könnten sich die Kontakte, die die Händler jetzt geknüpft hätten, bezahlt machen.
Sehr positiv habe übrigens die Firma Elektro Rickenbach aus Gipf-Oberfrick die erste Teilnahme an der Ausstellung bewertet. Sowohl zum Thema Ladestationen für Elektroautos – da schliesst sich der Kreis zwischen Autohändlern und Elektrounternehmen – als auch für Solaranlagen habe es eine Vielzahl sehr konkreter Anfragen gegeben, so die Rückmeldung des Unternehmens an Ernst Frei. Diese Firma gehöre also zu den Gewinnern der 12. Automesse in Stein.
«Es gibt keine schlechten Antriebe»
In Bezug auf den Antrieb bei Personenwagen sagt Frei: «Es gibt keinen schlechten Antrieb, nur solche, die mehr oder weniger zu den persönlichen Ansprüchen passen.» Nur noch zehn bis 15 Prozent der ausgestellten Autos seien reine Verbrenner gewesen. Auf etwa 20 Prozent schätzt Frei den Anteil der reinen Elektrofahrzeuge, der grösste Teil entfalle auf Hybridantriebe. «Sowohl der Kunde als auch die Unternehmen müssen sich umstellen, letztere besonders in Bezug auf die Ausbildung.» Verunsicherung sei bei einigen Besuchern auch vor der Komplexität der neuen Autos festzustellen gewesen. «Die Fahrzeuge sind hochtechnisiert und digitalisiert, das macht gerade älteren Leuten ein wenig Angst», weiss Frei aus den Gesprächen, die er regelmässig mit Kunden führt. Diese Angst müssten die Händler den Leuten nehmen.
Mehr als eine Automesse
Die Zahl der Besucher an der Automesse lasse sich nur schwer schätzen, aber Frei ist sich sicher: «Weniger als vor Corona waren es diesmal bestimmt nicht.» Mit der zwölften Auflage sei die Veranstaltung für viele Besucher inzwischen nicht mehr nur Automesse, sondern auch Treffpunkt. Deswegen hofft der AGSV-Obmann der Region Fricktal auch sehr darauf, dass es auch im Jahr 2023 eine Automesse in Stein geben wird.
Hoffnung auf Veranstaltung im nächsten Jahr
«Stand jetzt gehe ich davon aus, dass es die 13. Auflage geben wird. Die Planbarkeit einer solchen Veranstaltung ist jedoch komplizierter geworden», fügt Frei an. Zum einen habe vor allem die Corona-Krise gezeigt, dass Pläne von heute morgen schon nicht mehr gelten können. Dazu komme, dass die Händler in unsicheren Zeiten ungern Geld in eine solche Veranstaltung stecken. Ein weiterer Punkt sei, dass es auch nicht mehr so viele Verkaufsstützpunkte im Fricktal gebe und damit auch nicht mehr so viele potenzielle Teilnehmer für eine Automesse. «Wir hatten diesmal etwa 100 Fahrzeuge in den Ausstellungshallen und diese Anzahl brauchen wir auch in etwa, um mit der Messe kostendeckend zu sein», erklärt Ernst Frei. «Wir müssen keinen Gewinn machen, aber einen Verlust können wir uns auch nicht leisten. Zum Glück haben wir guten Kontakt zu unseren Partnern, die uns entgegenkommen und die Veranstaltung in diesem Jahr damit möglich gemacht haben.»