«Ich habe es gut gehabt», blickt Rosi Heid auf 46 Jahre als Geschäftsfrau zurück. Am 4. Mai 1977 hatte die damals 29-Jährige ihre Boutique «Mikado» in Stein eröffnet. Auf 25 Quadratmetern bot sie Damenmode an. Am 3. Juni steht für die 74-Jährige der letzte Tag in dem Laden an, der ihr Leben so viele Jahre mitbestimmt hat. «Jetzt habe ich das Gefühl, es ist gut und an der Zeit, noch andere Dinge zu machen», sagt Rosi Heid im Gespräch mit fricktal.info.
JÖRN KERCKHOFF
Was ist in den 46 Jahren nicht alles passiert, die Welt hat sich mehr als einmal gründlich geändert. Und auch in dem Geschäft von Rosi Heid blieb die Zeit nicht stehen. Der Laden wurde grösser – heute hat das Mikado 100 Quadratmeter – die Welt der Mode änderte sich völlig. «Früher gab es eine Frühling/Sommer-Kollektion und eine Herbst/Winter-Kollektion, heute sind es zwischen sechs und zwölf Kollektionen pro Jahr», erzählt Rosi Heid. Auch die Bestellwege und alles andere funktioniere heute total anders als in den Anfangszeiten ihres Geschäfts. Vieles laufe nur noch online. Natürlich seien ihre Kundinnen mit ihr älter geworden. Und aus Kindern, die damals ihre Mutti ins Mikado begleiteten, seien inzwischen selbst Eltern geworden.
Mundpropaganda – ein Teil des Erfolgs
Ein Geschäft zu eröffnen ist immer ein mutiger Schritt, doch ihr sei damals sicher zugute gekommen, dass sie sehr aktiv im Ort war – und bis heute ist – und es dadurch viel Mundpropaganda für ihre Boutique gegeben habe, erinnert sich die Fachfrau für Mode. Ihr Gespür dafür, was der jeweiligen Dame steht, schätzen die Kundinnen sehr an ihr. Eine Kundin habe ihr gesagt: «Ich bin nicht ins Mikado gekommen, ich bin zu dir gekommen», erzählt Rosi Heid mit gewissem Stolz. Sie habe sich bei der Auswahl der Kleider für ihre Boutique auch nicht auf eine Altersgruppe festgelegt, bei ihr fänden sowohl junge als auch ältere Frauen etwas. In den 46 Jahren hat sich Rosi Heid viel Modewissen und Fingerspitzengefühl angeeignet – genau das werden ihre Kundinnen wohl vermissen.
Während Corona nicht aufhören wollen
Auf die Frage, ob ihr nie die Idee gekommen sei, vielleicht schon in der Zeit von Corona und der damit verbundenen zwangsweisen Geschäftsschliessung, das Mikado endgültig zu schliessen – schliesslich war sie auch da schon im Pensionsalter- meint sie: «Nein, so wollte ich nicht abtreten. Ich hatte mir eine Zeit gesetzt und bis dahin wollte ich es auch machen.» Die Corona-Zeit habe sie gut überstanden und im Nachhinein sogar davon profitiert. «Es gab doch einige Leute, die sich darauf besonnen haben, was es vor Ort gibt und dass man nicht immer in die grossen Städte fahren muss zum Einkaufen.»
«Es gibt noch andere Dinge»
Nun sei die Zeit aber gekommen: «Während der Schliessung wegen Corona habe ich auch gemerkt, dass es noch andere Dinge gibt, und die will ich jetzt auch zusammen mit meinem Mann geniessen. Der ist auch schon pensioniert und wir werden sicher viel wandern und Velo fahren und Orte in der Schweiz und der Grenzregion erkunden.» Ob sich ihr Mann Fritz denn schon mit dem Gedanken angefreundet habe, dass er sie künftig öfter sieht und sie nicht mehr mit dem Mikado teilen muss? «Das hoffe ich», sagt Rosi Heid mit einem Schmunzeln. «Wir sind ein gutes Team», ist sie überzeugt.
Schwierig, eine Nachfolge zu finden
Am 3. Juni ist also ihr letzter Tag als Geschäftsfrau und damit auch der letzte Tag für das Mikado, das mit seinen markanten Schaufenstern zu einer Institution in Stein geworden ist. «Einen Nachfolger zu finden, ist sehr schwierig. In der aktuellen Zeit, möchte kaum jemand das Risiko eingehen, ein Geschäft zu eröffnen», berichtet Rosi Heid. Sicher eine Folge von Corona und dem aktuellen Fachkräftemangel. Ein paar wenige Interessenten habe es gegeben, erzählt Rosi Heid, ergeben habe sich daraus dann aber doch nichts. Ihre beiden Mitarbeiterinnen seien auch schon im Pensionsalter und würden sich mit ihr zur Ruhe setzen. «In dem Alter fängt man so etwas nicht mehr an. Das ist ja auch immer mit Investitionen verbunden», erzählt Rosi Heid. So werde am 2. August eine Praxis für Physiotherapie in den Räumen des Mikado eröffnen.
Der Countdown läuft
Noch bleibt Rosi Heid ein knapper Monat in ihrer Boutique, doch der Countdown läuft. «Im Moment fühlt es sich gut an und ich freue mich auf das Danach, aber am letzten Tag werde ich bestimmt wehmütig», gibt die Geschäftsfrau zu. Es hingen schliesslich viele Erinnerungen an dem Geschäft und sie habe so vieles in den 46 Jahren erlebt.
Ab dem 30. Mai sind alle Kundinnen eingeladen, sich beim täglichen Apéro vom Mikado zu verabschieden. Und am 3. Juni, einem Samstag, findet der totale Ausverkauf statt, bevor Rosi Heid dann die Wanderschuhe schnürt und ihr neues Leben geniesst. Ihren 75. Geburtstag feiert sie übrigens am 31. Dezember.