Wer träumt als junge Sportlerin oder junger Sportler nicht davon, später einmal das Trikot mit dem Schweizer Kreuz tragen zu dürfen? Bei Leon Brogle (Jg. 2010) aus Sisseln ist dieser Traum schon sehr früh in Erfüllung gegangen. Er wurde nämlich Mitte Oktober für ein Trainingslager der U16-TYT*-Auswahl in Norwegen aufgeboten und durfte dort zwei Länderspiele bestreiten.
*TYT ist die Abkürzung für «Take your time». Bei der U16 gibt es nämlich zwei Nationalteams, eines mit den athletisch starken Spielern und eines mit jenen Spielern, die noch Zeit brauchen, um in diesem Bereich aufzuholen.
Fritz Käser hat sich für fricktal.info mit dem sympathischen jungen Sportler zum Interview getroffen:
Leon, du warst bis jetzt «nur» bei regionalen Zusammenzügen der U14 und U15 und einem Spiel der U15 gegen GC dabei. Kam das Aufgebot zu dieser Trainingswoche in Norwegen für dich deshalb nicht doch ein wenig überraschend?
Leon: «Ein wenig überraschend» ist definitiv untertrieben. Ich war extrem überrascht, als das Aufgebot ins Haus flatterte. Zwar gehörte ich zum erweiterten Kader, aber ich stand lediglich auf der Pikettliste. Die Chancen doch noch mitreisen zu dürfen, waren minim. Drei Tage vor dem Abflug in Zürich wurde aus Pikett aber Nachnomination. Nun wurde es etwas hektisch: Kontaktaufnahme mit Frau Fejzula, der stellvertretenden Lehrlingsverantwortlichen der Gemeindeverwaltung Frick, wo ich im August meine Lehre begonnen hatte. Erfreulicherweise erhielt ich «grünes Licht». Die Abmeldung von den zwei Schultagen nach den Ferien übernahm der Lehrbetrieb.
Wie fühlte es sich an, als du in Zürich auf deine zukünftigen Mannschaftskollegen stiessest?
Leon: Ich war echt angespannt, denn die meisten Spieler kannte ich nicht besonders gut. Umso beruhigender war es für mich, dass ein weiterer Spieler des FC Aarau mit dabei war. Wir waren die beiden einzigen, die nicht aus einem Super-League-Verein stammten. Plötzlich im Trainingsanzug des Nationalteams dazustehen, liess mein Herz höher schlagen.
Wie verliefen die Tage in Norwegen?
Leon: Wir hatten ein straffes Tagesprogramm. Am Abend nach der Ankunft fand ein erstes Training statt. Wir logierten übrigens zusammen mit den Teams aus Dänemark, Schweden und Norwegen im gleichen Hotel. Der zweite Tag begann wieder mit einer Trainingseinheit und der Vorbereitung auf das Länderspiel gegen Schweden. Dazu gehörte auch das Auswendiglernen der Nationalhymne! Am Nachmittag folgten für mich jene Minuten, welche mir in besonderer Erinnerung bleiben werden: Beim 2:0-Sieg über Schweden kam ich in den letzten 20 Minuten als Einwechselspieler zum Einsatz. Tag 3: Training und Teambildungs-Nachmittag mit Stadtrundfahrt und Schifffahrt. Der letzte Tag stand im Zeichen der Vorbereitung auf das Spiel gegen Norwegen: Theorie und Aktivierung. Das Beste kam am Nachmittag: Ich stand in der Startelf und durfte als Abwehrspieler meinen Teil zum 6:0-Sieg beitragen. Mein Fazit: Es waren vier unvergessliche Tage, in welchen ich viel gelernt habe, das mir in Zukunft hoffentlich noch zugutekommen könnte.
Und nun noch zu den Anfängen – wann begannst du mit Fussballspielen?
Leon: Als Vierjähriger besuchte ich erstmals ein Training beim FC Stein. Vincenzo Sicola war mein erster Trainer. Ausgesprochen viel profitiert habe ich vom Training bei Marco Acklin. Er hat mir sehr viel beigebracht, sei es in technischer Hinsicht oder im Verhalten auf dem Spielfeld. Wir hatten auch eine ganz tolle Mannschaft.
Wann erfolgte der Wechsel zum FC Aarau
Leon: Ismail Bitterli, einst selber langjähriger Spieler und Juniorenobmann beim FC Stein, war inzwischen Nachwuchstrainer beim FC Aarau. Im Hinblick auf meine sportliche Weiterentwicklung empfahl er mir, im April 2022 an vier Sichtungstrainings teilzunehmen. Diesem Rat folgte ich. Das Ganze endete aber mit einer Riesenenttäuschung. Es dauerte schon mal elend lange, bis ich danach Bescheid erhielt. Als der sehnlichst erwartete Brief endlich eintraf, begann dieser mit «Leider». Ich las nicht mehr weiter, warf mich aufs Sofa und heulte einfach drauflos. Man beobachte mich aber weiter in Stein. Dreiviertel Jahre später wurde ich wieder für einen Trainingstag eingeladen. Ich stellte mir ernsthaft die Frage, ob ich mir diese emotionale Achterbahn nochmals zumuten wollte, ging dann aber doch hin. Mit einem weiteren Spieler des FC Stein trainierten wir abwechslungsweise in Stein und Aarau, spielten aber weiterhin in Stein. Nach einem Training bei der U13 des FC Aarau und einem Hallenturnier klappte es dann doch noch und ich wechselte auf die Rückrunde 2022/23 zum FC Aarau.
Wie hält es deine Familie mit dem Fussball?
Leon: Meine beiden Brüder Robin (Fan des FC Barcelona) und Marc (Borussia-Dortmund-Anhänger) sowie meine Mutter sind fussballbegeistert. Robin kickt selber, Marc beschränkt sich aufs «Fäne». Zu Viert waren wir schon in Barcelona und Dortmund und schauten uns dort Spitzenfussball an. Meiner Mutter – sie spielte einst während einiger Zeit im Frauenteam des FC Wallbach – habe ich sehr viel zu verdanken. Nachdem ich zum FC Aarau gewechselt hatte, holte sie mich jeweils in Laufenburg von der Schule ab und chauffierte mich nach Aarau. Dann hiess es für sie einfach nur Warten, bis das Training vorbei war und wir uns auf die Heimfahrt machen konnten. Als Wirtsfrau war dies für sie während zwei Jahren eine echt mühsame Angelegenheit. Und ich habe dies damals als selbstverständlich angeschaut. Heute beschämt mich die damalige Haltung. Da fehlt noch mein Vater. Er flippt nun nicht gerade aus, wenn’s ums runde Leder geht. Aber er kommt hin und wieder auch in den Aarauer «Schachen» und schaut sich ein Spiel an. Er drückt mir jeweils bestimmt die Daumen und ist auch sonst ein super Rückhalt für mich.
Welches sind deine Stärken?
Leon: Ich denke, ich bin mental stark. Als mich mein Trainer von der gewohnten rechten Aussenverteidiger-Position auf die linke Seite umpositionierte, befielen mich echte Bedenken. Dort stand ich nämlich plötzlich in Konkurrenz mit einem «Linksfuss» – und hab’ mich durchsetzen können. Wobei zu sagen ist, dass auf diesem Niveau Beidfüssigkeit erwartet wird. Zugute kommt mir auch, wie ich mich im Training anstelle. Ich bin immer hoch motiviert und voll bei der Sache. Zu den Stärken würde ich auch meine Ruhe und meine Spielübersicht zählen.
Und die Schwächen?
Leon: Verbesserungspotenzial gibt’s immer und zwar in allen Bereichen. Die Trainer schauen da schon sehr genau hin und thematisieren die Unzulänglichkeiten. Vom Physiotherapeuten gab’s kürzlich eine klare Aussage. Ich sei einer der Unbeweglichsten im Team, meinte er. Da gibt es nun den Hebel anzusetzen!
Deine sportlichen Ziele?
Leon: Ich hoffe, mich auch in den höheren U-Mannschaften durchsetzen zu können. Toll wäre es natürlich, wenn ich es bis in die 1. Mannschaft des FC Aarau schaffen würde. Ich bin mir aber völlig bewusst, dass dies ein beschwerlicher Weg werden dürfte. Aber an der Einstellung soll’s nicht liegen.
Warst du auch schon von gravierenden Verletzungen betroffen?
Leon: Vor einem Jahr erlitt ich einen Muskelfaserriss, ärgerlicherweise ausgerechnet in einer Phase, in welcher es mir sehr gut lief. Ich war Captain der U15 und dirigierte die Abwehr. Aber sonst hat mich die Verletzungshexe bis jetzt verschont. Ich hoffe sehr, dass dies so bleibt.
Musstest du auch schon sportliche Rückschläge verkraften?
Leon: Im Grossen und Ganzen ging es kontinuierlich aufwärts. Aber von Rückschlägen blieb ich – wie viele andere wohl auch – nicht verschont. In meinem Fall war es ein Todesfall im Familienkreis, der mir zu schaffen machte und mich gewissermassen auch sportlich aus der Bahn warf. Ich hatte plötzlich grosse Mühe mich aufs Fussballspielen zu konzentrieren und bot drei, vier grottenschlechte Spiele. Dank der Unterstützung von der Familie und dem Verständnis des Trainerstabs fand ich den Tritt bald wieder.
Wir wünschen dem frischgebackenen Junioren-Nationalspieler weiterhin viel Erfolg und dass er möglichst verletzungsfrei bleibt.
Freude beim FC Stein
Beim FC Stein freut man sich natürlich über den Erfolg seines ehemaligen Juniorenspielers. Mit Leon Brogle schaffte es bereits der dritte Spieler, der beim FC Stein mit dem Fussballspielen begann, in eine Nachwuchs-Nationalmannschaft. Vor ihm gelang dies Sven Jegge aus Mumpf (U18 bis U20, 2004 bis 2007) und Leon Asllani, Stein (U17, 2021).
Interview: Fritz Käser