Seit zwei Monaten sind im Dianapark in Rheinfelden Flüchtlinge aus der Ukraine untergebracht. Zur Verfügung stehen die Wohnungen, weil die Helvetia Versicherung AG, der die Gebäude gehören, den bisherigen Mietern wegen umfassender Sanierungen gekündigt hatte. Dann kam der Ukraine-Krieg und die Stadt Rheinfelden benötigte dringend Wohnraum für die Unterbringung der ihr zugewiesenen Flüchtlinge. Das frühere Hotel „Drei Könige“ wurde zusätzlich angemietet, um dort Deutschkurse durchzuführen und einen Versammlungsort zu schaffen. Am Freitag luden Kanton und Stadt daher die Medienvertreter ein, um ihnen einen Einblick zu geben.
JÖRN KERCKHOFF
In der römischen Mythologie steht die Göttin Diana unter anderem als Beschützerin der Frauen und Mädchen. Folgt man diesem Gedanken, sollten die Wohnungen im Dianapark eigentlich wie geschaffen sein, als Unterkunft für Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind. 128 Flüchtlinge sind derzeit in 40 Wohnungen untergebracht, die zunächst mit einer Erstausstattung eingerichtet wurden. Stephan Müller, Leiter der Sektion Betreuung Asyl beim Kanton Aargau, Markus Schröder, Geschäftsleiter von „Engagement lokal“ der Stadt Rheinfelden, und Raphael Jutz, zuständiger Zentrumsleiter der ORS (Organisation for Refugee Service) für den Dianapark, sind davon überzeugt, dass sich die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine, die der Stadt Rheinfelden im Herbst zugewiesen werden, noch deutlich erhöhen wird. Daher würden bereits jetzt 60 weitere Wohnungen mit einer Erstausstattung eingerichtet. Allerdings sei das gar nicht so einfach, wie Markus Schröder feststellt: „Es gibt teilweise Lieferengpässe und es ist insgesamt ein grosser logistischer Aufwand, der da bewältigt werden muss.“
Pläne für „Drei Könige“
Grosses hat Markus Schröder auch mit dem Hotel „Drei Könige“ vor, das derzeit als Begegnungs- und Schulungszentrum dient. Mehr als 100 der ukrainischen Flüchtlinge hätten sich zu Deutschkursen angemeldet, berichtet Schröder. Nächste Woche findet eine Jobbörse statt, zu der sich bereits mehrere Firmen angemeldet hätten. Sie wollen den Flüchtlingen Jobs anbieten, für die erstmal keine guten Deutschkenntnisse notwendig seien. „Es macht viel mehr Sinn, wenn sich die Firmen an die Flüchtlinge wenden, als umgekehrt“, so Schröder. Für die sei es mit geringen Deutschkenntnissen natürlich viel schwieriger, sich auf dem Arbeitsmarkt umzusehen.
Geplant seien für die „Drei Könige“ in nächster Zeit auch noch eine Kleiderkammer – in Zusammenarbeit mit der Caritas – sowie ein Supermarkt mit günstigen Produkten. Diese Einrichtungen sollen nicht nur den Flüchtlingen aus der Ukraine zur Verfügung stehen, sondern auch anderen Flüchtlingen und auch Schweizern mit geringen Einkommen, betont Markus Schröder. Wenn alles klappt, soll der Supermarkt bereits im Oktober eröffnet werden.
100 Gespräche pro Tag
Jobs bietet die ORS den Flüchtlingen ebenfalls an. Etwa die Pflege des Dianaparks. „Die Nachfrage nach dieser Arbeit ist grösser, als wir zur Verfügung haben“, erklärt Raphael Jutz. Er beschreibt das Verhältnis zu den Flüchtlingen als insgesamt sehr gut. Im Büro der ORS im Dianapark 17 führten er und seine 14 Mitarbeiter etwa 100 Gespräche am Tag. Dabei gehe es um Themen wie Jobsuche, Behördengänge oder Arzttermine, schildert Jutz. Zum Übersetzen seien dabei zwar keine ausgebildeten Dolmetscher im Einsatz, aber Leute, die etwa selbst aus der Ukraine stammen und beide Sprachen beherrschen. Natürlich gebe es auch mal Unstimmigkeiten, alles in allem sei das Verhältnis zwischen den Neuankömmlingen in Rheinfelden, seinen Mitarbeitern und den Behörden aber gut.
Nicht immer alles eitel Sonnenschein
Allerdings räumt Jutz ein, dass es tatsächlich mitunter auch zu Unstimmigkeiten komme. So etwa in Bezug auf die Bezahlung für die Arbeiten, die die ORS den Flüchtlingen anbiete. Raphael Jutz dazu: „Von einer Person wurde uns vorgeworfen, wir würden Geld unterschlagen. In Basel und in Zürich würde mehr Geld für diese Arbeiten gezahlt werden, als bei uns. So entstand das Gerücht, wir würden Geld in die eigene Tasche stecken. Die neun Euro, die wir als Stundenlohn zahlen, ist der Satz, der vom Kanton Aargau vorgegeben wurde.“ Jutz wehrt sich gegen immer wieder aufkommende Vorwürfe mangelnder Kommunikation, schlechter Unterbringung und von Unzufriedenheit aller Flüchtlinge aus der Ukraine, die gegenüber den Medien aus Angst vor Repressalien erklärten, im Dianapark sei alles wunderbar.
„Kein Wunschkonzert“
„Es ist für alle eine schwierige Situation“, erklärt Markus Schröder dazu. Und: „Nein, es ist kein Wunschkonzert. Bei der Unterbringung müssen wir den knappen Raum optimal nutzen. Derzeit teilen sich 128 Personen insgesamt 40 Wohnungen. Da kann nicht jeder eine eigene Wohnung für sich haben, auch nicht jede Familie. Dabei gibt es schon auch mal Unstimmigkeit, die sich aber meist klären lassen. Wir müssen bei der Verteilung des Wohnraums auf viele Dinge achten. Die Flüchtlinge haben insgesamt auch zehn Hunde und acht Katzen mitgebracht, da können wir natürlich keinen Katzenallergiker zusammen mit einer Katze wohnen lassen. Es gibt auch Leute, die krank sind, worauf Rücksicht genommen werden muss. Das ist alles nicht leicht, aber die Wohnsituation ist sicher viel besser, als in Sammelunterkünften mit einer grossen Gemeinschaftsküche und ähnlichem.“
Kein Zeitplan für die Rückkehr in die Heimat
Zu den Menschen, die im Dianapark Zuflucht gefunden haben, gehören auch Valeriia Nikulina (29), ihr Mann Kyrylo (31) und ihre zweijährige Tochter Tina. Der jungen Familie wurde eine kleine Wohnung für sich zugewiesen, als sie Anfang Juli in den Dianapark kamen. Valeriia und Kyrylo Nikulina stammen aus der Ostukraine, sie lebten etwa 50 Kilometer von dem umkämpften Atomkraftwerk Saporischschja entfernt. Der erste Kontakt zwischen den Medienvertretern und der Familie Nikulina fand in der Attika-Wohnung in einem der Hochhäuser im Dianapark statt. Dort gibt es W-LAN, das von den ukrainischen Flüchtlingen genutzt werden kann, um Kontakt in die Heimat zu halten. „Wir hatten alles, ein Haus, eine Familie, eine Firma mit drei Lkw“, erzählt Kyrylo Nikulina. Dorthin wollen sie auch zurückkehren, wenn der Krieg einmal vorbei ist. „Aber du weisst nie, was kommt“, macht der 31-Jährige deutlich, dass es für die Rückkehr keinen Zeitplan gibt.
Deswegen nehmen er und seine Frau an den Deutschkursen teil, die angeboten werden. „Wir möchten Deutsch lernen und dann gute Jobs finden.“ Sie seien dankbar für die Hilfe, die ihnen in Rheinfelden zuteilwerde, erzählen sie. Sie gingen regelmässig in die Stadt und kämen auch dort immer mal wieder mit den Menschen ins Gespräch. „Wir sind zufrieden hier“, erzählt Kyrylo Nikulina. So zufrieden, wie man eben sein kann, wenn man seine Heimat wegen eines Krieges verlassen musste.