Ein Produkt der  
Die grösste Wochenzeitung im Fricktal
fricktal info
Verlag: 
Mobus AG, 4332 Stein
  Inserate: 
Texte:
inserat@fricktal.info
redaktion@fricktal.info
Fricktalwetter
Klarer Himmel
9.9 °C Luftfeuchtigkeit: 97%

Sonntag
9 °C | 18.1 °C

Montag
11 °C | 18.7 °C

Pantomime Carlos zu Gast in Rheinfelden. Foto: zVg
Featured

Lange Nacht der Kirchen: Ein Mensch, der nicht sprechen kann

(lr) Gleich zwei Kunst-Regeln eines Pantomimen hat Carlos Martínez an der Langen Nacht der Kirchen ausser Kraft gesetzt. Er trat in der reformierten Kirche in Rheinfelden ohne Maske auf und er sprach zum Publikum. Ein Künstler, der letztes Jahr sein 40-jähriges Bühnenjubiläum feierte, hat die Grenzen des Genres neu definiert – zur grossen Freude des Publikums.

Denn seine humorvollen Überleitungen stellten die einzelnen Stücke in ihren Entstehungskontext und gaben den ca. 150 Anwesenden einen Einblick in die Überlegungen und Erfahrungen des berühmten Pantomimen aus Barcelona. Als er vor vielen Jahren nach einer Vorführung das Wort ergriff, da war ein kleines Mädchen ausser sich, erzählte Martínez. Es hatte nämlich nur von einem Lehrer gehört, dass ein Pantomime ein Mann sei, der nicht sprechen kann. Diese Auskunft habe das Mädchen zu einem inbrünstigen Gebet für den stummen Mann veranlasst, damit er geheilt werde. Dann hörte das Kind den Pantomimen ein paar Worte zum Schluss seiner Show sagen. In den Augen des Mädchens war das ein wahres Wunder und die Erhörung der Gebete. Seither liebt es Carlos, seine Stimme auch auf der Bühne zu gebrauchen. Aber nur bei besonderen Gelegenheiten, bei den Vorstellungen ohne Maske – wie kürzlich in Rheinfelden. Keine weisse Maske, gemalt auf sein Gesicht, hatte der Spanier zum Vorzeigen, dafür eine Darbietung, in der er eine ganze Reihe von Masken anprobierte.
Der Künstler, der sich in seiner Jugend seine Zukunft auch als Pfarrer hatte vorstellen können und bereits ein Pfarrpraktikum absolviert hatte, entschied sich letztlich für die Pantomime. «Das ist meine wahre Berufung», sagt er heute noch. Carlos Martínez behielt aber einen Bezug zur Theologie und hielt auch in der Rheinfelder Kirche «Predigten ohne Worte». In einer davon stellte er einen zärtlichen, aufmerksamen Schöpfer dar, der die Welt in seinen Händen hält, der den Menschen nach seinem Bild erschafft und mit Liebe umsorgt. Worauf dann – es liess sich von Carlos Mimik ablesen – schaffte es der Mensch mit seinem Lebenswandel den Schöpfer fast zur Verzweiflung zu bringen. Aber eben nur fast. Gottes Barmherzigkeit obsiegte. Nach dieser Schöpfungsgeschichte stellte Carlos Martínez den Lieblingspsalm seiner Mutter dar, den Psalm 23. Auch hier wurde Barmherzigkeit zum Thema: jene die dem Menschen «folgt ein Leben lang». Barmherzigkeit, an und für sich nicht gegenständlich, wurde sichtbar, als sie dem Wanderer einen sanften Schubs von hinten gab, wie jemand, der ihm folgt und manchmal etwas ungeduldig wird. Tiefsinnige Gedanken dürfen auch heiter sein, scheint Carlos beherzigt zu haben. Seine Mutter habe ihn nämlich ermahnt, bei der Bibelauslegung den Humor nicht zu vergessen.
Ein Publikumsfavorit schien indessen die Geschichte eines Schmetterlings gewesen zu sein, eine Geschichte, welche die Fantasie nicht nur anregte, sondern regelrecht beflügelte. Ein Spiel mit dem zarten Insekt, dessen Verfolgung bis in die Publikumsreihen, ein begeistertes Klatschen in die Hände, die dem filigranen Wesen fast das Leben gekostet hätte: dem Vorstellungsvermögen waren keine Grenzen gesetzt. Darum waren auch die Reanimationsversuche mit Beatmung und Herzmassage (ja, Insekten haben ein Herz) innert kürzester Zeit erfolgreich. Alles andere als ein Happy End wäre denn auch nicht auszudenken.
Zum Schluss gab es noch ein paar Pantomime-Übungen fürs Publikum. Spätestens dann merkte man/frau: was so bestechend leicht und natürlich aussieht, ist harte Arbeit und Kunst vom Feinsten. Seit 41 Jahren. Der begeisterte Applaus des Publikums kann als Wunsch gelesen werden, dass noch viele weitere Jahre folgen mögen.

Bild: Pantomime Carlos zu Gast in Rheinfelden. Foto: zVg