(aff) Am Sonntag fand im reformierten Kirchgemeindehaus der traditionsreiche Fasnachtsgottesdienst statt, mit der lokalen Gugge «Grosschtadtchnulleri» und Theobald, em Pfaff sim Aff.
«50+1» steht auf der diesjährigen Plagette der «Chaiseraugschter Gugge, Grossschtadtchnulleri». Ihr 50-Jahr-Jubiläum letztes Jahr fiel mehr oder weniger ins Corona-Wasser. Umso frischer und fitter präsentierten sie sich 2022+1 bei der gottesdienstlichen Eröffnung der diesjährigen Fasnachtszeit, im Jubiläumskostüm und mit neu einstudierten Songs. Theobald, em Pfaff sin Aff (mit von des Pfaffen Frau Jutta Wurm geliehener menschlicher Stimme), freute sich ebenso wie seine Guggenfreunde, dass endlich wieder ohne Schranken mit grossem Publikum gefeiert werden konnte.
Auch die Fasnachtsgottesdienste im reformierten Kirchgemeindehaus hatten ein kleines Jubiläum zu feiern: Es gibt sie seit zwanzig Jahren. Nach der elenden Corona-Zeit fühlte es sich für Theobald aber an wie ein Neubeginn, und so nahm er in seinen vorwitzig-altklugen Reden Bezug auf das Kultbuch der Zen-Meditation «Zen-Geist, Anfänger-Geist». Dieses wird zwar dem japanischen Zen-Meister Shunryu Suzuki (1905-1971) zugeschrieben, doch Theobald behauptet, er habe es verfasst.
Wie eine Flasche leer
Der ursprüngliche Titel des Buches habe gelautet: «Monkey Mind, Beginner’s Mind», also: «Affen-Geist, Anfänger-Geist». Und überdies sei der von Theobald geprägte Begriff «Monkey Mind» durch die Menschen verdreht worden, erläuterte der anthropoide Primate. Mit «Monkey Mind» wird in der spirituellen Szene das nicht zur Ruhe kommende Gedankenkarussell bei der Meditation bezeichnet: Die Gedanken hüpfen im Kopf herum wie die Affen auf den Bäumen. Dazu sagte Theobald: «So einen Quatsch können nur Menschen verzapfen! Um auf den Bäumen rumzuhüpfen, braucht es genau diesen Anfänger-Geist, der nicht an die Vergangenheit noch an die Zukunft denkt, sondern Jetzt präsent ist.»
Seinem Freund, dem Pfaffen, empfahl er: «Amen, ich sage dir: Dein Geist muss werden wie ne Flasche Bier» – also leer. Dann hätte der Pfaffen-Geist keine Vorstellungen und Erwartungen, Erleuchtung würde ihn nicht interessieren, und es wäre ihm egal, dass die Leute, statt in die Kirche zu kommen, in Scharen zur Vorfasnachtsveranstaltung «Fotzelschnitte» strömen.
Gratia gratis data
Der Pfaff konnte mit den Belehrungen durchaus etwas anfangen. Sie erinnern ihn, sagte er, an den reformatorischen Gedanken, dass alles Geschenk sei, gratia gratis data, gratis gegebene Gnade. Und auch an die Worte Jesu, dass wir wie die Kinder werden sollen – einfach, ursprünglich, wesentlich.
Etwas hatte er dann aber doch einzuwenden gegen Theobalds Buch: Im fehle darin das Mitgefühl, sagte er, es gehe nur um Gelassenheit. Wenn doch, wie Theobald behaupte, alles mit allem verbunden sei, dann könne es einem nicht egal sein, wie es den anderen Wesen geht. Damit rannte er beim Zen-Meister-Affen offene Türen ein. Gelassenheit und Mitgefühl, antwortete er, seien zwei Seiten derselben Medaille. Darum habe er seine Chnulleri-Freunde auch gebeten, nicht nur «Que sera sera» («Was sein wird, wird sein») zu spielen, sondern auch «Helele» zu spielen, die Hymne der Fussball-WM 2010 in Südafrika. «Helele» begeisterte Theobald. Im Text heisst es u.a.: «Lasst uns unseren Müttern danken. Lasst uns uns gegenseitig helfen, lasst uns uns gegenseitig respektieren!» Der Song, dozierte Theobald, atme den Geist des Ubuntu, jener afrikanischen Philosophie, die durch Nelson Mandela bekannt wurde. Sie besagt, dass ich bin, weil du bist; weil du bist, bin auch ich. «Mir händ vo Ubuntu kän blasse Schimmer – wird’s drum uf Ärde immer schlim-mer?», fragte der Pfaff betreten. «Mit mehr Ubuntu würd die Welt / tatsächlich ein bisschen aufgehellt», antwortete der Aff.
«Hört, alles wird gut!»
Ein bisschen heller wurde die Stimmung auch an diesem regnerischen Vormittag. Zum Schluss spielten die Chnulleri einen weiteren Hit: «Iko Iko», in dem in einer kreolischen Sprache gesungen wird: «Hört, ihr dahinten, alles wird gut!» Die Message begleitete die Menschen, die hinten durch die Kirchentür hinaus zum Apéro strömten. Trotz garstigem Wetter blieben sie dort bis in die frühen Nachmittagsstunden und folgten dann den Chnulleri auf ihrer Tour durchs Dorf. «Tanke, händ er mitgmacht! / Händ e gsägneti Fasnacht!», riefen Pfaff und Aff der sympathischen Truppe nach.