Jährlich wandern tonnenweise Gegenstände in den Müll, die oft mit wenig Aufwand noch gerettet werden könnten. In Repair-Cafés wird Staubsauer, Kaffeemaschine, Toaster und Co. neues Leben eingehaucht. Zurück bleiben glückliche Besitzer, die ihr Gerät weiter benutzen können, Reparateure, die sich über das Erfolgserlebnis freuen, und ein grosser Beitrag zu einem kleineren Abfallberg. Seit fünf Jahren gibt es auch in Rheinfelden ein Repair-Café, das alle zwei Monate stattfindet (das nächste Mal am 14. Mai). Fricktal.info konnte dem engagierten Reparatur-Team am vergangenen Samstag über die Schulter schauen.
SONJA FASLER HÜBNER
Bereits vor zehn Uhr herrscht am Samstagmorgen geschäftiges Treiben im Seffelraum im Hinterhaus des markanten Roten Hauses in der Rheinfelder Altstadt. Noch bevor die Reparateure ihre temporären Arbeitsplätze an den Tischen eingerichtet haben, stehen die Leute im Eingang, um diverse Gegenstände flicken zu lassen. Eine der ersten ist Angela Cafaro mit ihrem Krups-Kaffee-Vollautomaten. Heinz Krauter schaut sich den Patienten an, der laut seiner Besitzerin erst Pulver in den Kaffee mischte und irgendwann ganz streikte. Der Reparateur, der wie die anderen im Team in seiner Freizeit leidenschaftlich gerne Dinge repariert, stellt fest, dass wohl das Reinigungsprogramm zu früh abgebrochen wurde. Zudem sind Kaffeepulverrückstände in der Maschine, die dort nicht hingehören. Eines der schwierigsten Unterfangen ist es, das Gehäuse der Kaffeemaschine zu öffnen, wie man an diesem Tag noch bei anderen Reparateuren zu hören bekommt. Und je neuer das Gerät, umso schwieriger ist dies. Der Grund, so wird allgemein gemunkelt: Die Hersteller wollen nicht, dass man selber Hand anlegt. Oder Geräte würden sogar bewusst so konstruiert, dass sie nicht mehr lange hielten. Lieber würden neue verkauft. Heinz Krauter kann ob dieser Wegwerfmentalität nur den Kopf schütteln. Dabei braucht es manchmal so wenig, um einem Gerät ein zweites Leben zu geben. Letzthin habe er in nur zehn Minuten eine digitale Küchenwaage wieder zum Funktionieren gebracht, sagt er.
20-köpfiges Team
Ein paar Tische weiter sitzt Béa Bieber, die das Repair-Café 2017 ins Leben gerufen hat. Die engagierte GLP-Politikerin und damalige Stadträtin fand: «Eine Zentrumsgemeinde braucht das.» Mittels Aufruf in der Zeitung suchte sie Reparateurinnen und Reparateure. «Mittlerweile zählt unser Team rund 20 Personen», freut sie sich. Die wechseln sich natürlich ab. Fünf bis sechs sind jeweils vor Ort. Einige von ihnen sind Pensionierte, andere noch mitten im Arbeitsleben und der jüngste, der sich gemeldet hatte, war erst 14 Jahre alt. Letzterer sei eine Koryphäe in Sachen elektrische Spielzeugautos und trotz Studium noch immer ab und zu im Einsatz.
Die Stimmung an dem Repair-Café-Tagen sei jeweils sehr gut, sagt Béa Bieber, die selbst auch repariert, morgens immer die Erste ist und zusammen mit ihrem Mann alles aufbaut und vorbereitet. Der Textilbereich ist ihr Gebiet. «Ich hatte mit acht Jahren meine erste Nähmaschine und nähe seither leidenschaftlich gerne. Früher habe ich viele meiner Kleider selbst genäht», verrät sie. Heute hat sie auch einiges zu tun. Schon am Morgen lag ein Gurt mit kaputter Schnalle vor der Tür mit der Bitte, diesen zu flicken. Eine leichte Übung für Béa Bieber. Danach wartete ein Stapel von Kinderhosen mit durchgewetzten Kniepartien darauf, gewiefelt oder mit einem Flicken versehen zu werden. Dazwischen versorgt sie ihr Team mit Gipfeli und später mit einem Znüni, damit sie alle bei Kräften bleiben für ihre kniffligen Aufgaben. Erfolgsquote von 85 bis 90 Prozent
«Jedes Mal werden während der knapp vier Stunden 30 bis 40 Gegenstände repariert», sagt Béa Bieber stolz. Natürlich stossen auch die Reparateure bei einigen Gegenständen an ihre Grenzen. «Aber immerhin haben wir eine Erfolgsquote von 85 bis 90 Prozent.» Man könne so nicht nur viel Müll verhindern und die Umwelt schonen, sondern auch Menschen glücklich machen, die an einem Gerät oder Gegenstand besonders hängen.
So ein Beispiel ist gerade am übernächsten Tisch zu finden, wo eine Frau hofft, dass man ihr Brezel-/Waffeleisen flicken kann. Das Gerät besitze sie schon seit 40 Jahren, und das Besondere daran sei, dass man den Einsatz wenden und so wahlweise Brezeln – sogar welche mit Schweizer Kreuz – oder Waffeln backen könne. Leider habe die Herstellerfirma Sigg das Gerät nicht mehr im Sortiment. Ihre Hoffnung ist nun, dass die Reparateure den Drehknopf reparieren können, der sich nicht mehr arretieren lässt, was zur Folge hat, dass Brezeln oder Waffeln etwas gar dunkel geraten.
Gleich vis-à-vis hat Thomas Schlub einen Raclette-Ofen repariert und macht sich jetzt daran, die Rollen eines schwarzen Handgepäck-Koffers zu entfernen. Der Koffer sei noch völlig intakt, sagt sein Besitzer, lasse sich aber wegen eines defekten Rades nicht mehr richtig rollen. Neue Räder könne er zwar besorgen, die alten liessen sich aber partout nicht entfernen. Mit sanften Methoden kommt man da nicht weit, wie sich bald zeigt. Manchmal ist eben etwas brachiale Gewalt gefragt. Mit Hilfe von Bohrmaschine, Schraubenzieher, Hammer und Co. geben die beiden Räder ihren Widerstand irgendwann auf, und ein glücklicher Besitzer zieht mit seinem Koffer von dannen, um daheim die neuen Räder einzusetzen. Mechanik sei sein Ding, erzählt Thomas Schlub. Das fing schon in seiner Kindheit an, als er einmal zuhause zum Erstaunen aller den Siphon des Lavabos reparierte. Elektronische Gegenstände liegen ihm allerdings weniger, gibt er zu. Und bereits liegt der nächste Patient vor ihm auf dem Tisch: Ein Staubsauger dessen Kabel sich nicht mehr automatisch einrollen lässt.
Nicht immer klappt’s
Dass nicht jeder Reparaturversuch von Erfolg gekrönt ist, zeigt sich am Beispiel eines DVD-Recorders, der keinen Film mehr abspielen will. Als Test-DVD hat die Besitzerin einen Miss-Marple-Film mitgenommen. Ein Zufallsgriff, aber wohl doch in der Hoffnung, dass der Reparateur den «Fall» lösen würde. Leider Fehlanzeige. Auch er bringt das Gerät nicht mehr zum Laufen. «Jetzt weiss ich wenigstens, dass ich es guten Gewissens entsorgen kann», meint die trotzdem zufriedene Besitzerin schmunzelnd. Auch die ältere Dame, die ihr heissgeliebtes E-Book vorbeibrachte, muss mit dem Urteil leben: nicht mehr reparierbar. Sie bedaure das zwar, sagt sie, freue sich aber jetzt auf das neue Modell, das sie ins Auge gefasst habe und sich nun leisten werde.
Einer der nicht repariert, aber doch einen wichtigen Part im Team einnimmt, ist Jean-Claude Wermeille. Er empfängt die Kunden und begleitet sie an den Tisch, wo sie den Anmeldebogen ausfüllen müssen. Dabei geht es insbesondere um die Haftungsbegrenzung des Repair-Teams. Die Hersteller-Garantie erlischt nämlich, sobald jemand Hand an das Gerät legt. Schliesslich kümmert sich Jean-Claude Wermeille um die Triage, teilt die «Fälle» dem jeweils geeigneten Reparateur zu und versorgt die wartenden Leute mit Kaffee. Apropos Kaffee: Am Tisch von Heinz Krauter herrscht Hochstimmung, und man diskutiert unter anderem eifrig über Sinn und Unsinn von Kaffeevollautomaten und Kapselmaschinen. Schliesslich lasse sich die kaffeemaschinenlose Zeit problemlos mit dem guten alten Filterkaffee überbrücken, meint Angela Cafaro schmunzelnd. Die Krups-Kaffeemaschine kommt trotzdem oder vielleicht gerade deshalb langsam wieder in die Gänge. Unterdessen hat sich Claudia Käser dazugesellt. Ihre Schwester habe ihr vor rund eineinhalb Jahren eine kleine, automatische Filterkaffee-Maschine älteren Modells «vererbt». Ein praktisches Teil, mit dem sich eine oder zwei Tassen Kaffee aufs Mal aufbrühen lassen – und das jetzt seinen Geist aufgegeben hat. Hier ist eine Operation am offenen Herzen notwendig und der Reparateur arbeitet sich bis zum drahtigen Innenleben des kleinen Geräts vor, um schlussendlich festzustellen, dass wohl die Temperatursicherung altersbedingt ihre Dienste versagt. Die Besitzerin erklärt sich gerne damit einverstanden, dass Heinz Krauter ein entsprechendes Ersatzteil bestellt, und nimmt auch in Kauf, dass sie wahrscheinlich noch den Kleinmengenzuschlag dafür zahlen muss. Der Reparateur nimmt die Maschine mit und wird die Reparatur bei sich zu Hause zu einem hoffentlich guten Ende bringen.
Alle arbeiten ehrenamtlich Ein grosses Engagement, das Béa Bieber bei all ihren Repair-Kollegen feststellt. «Dabei arbeiten die Reparateure alle ehrenamtlich», betont sie. Das Geld, das die Kunden freiwillig ins Kässeli stecken können, wendet das Repair-Team für Flyer, den Betrieb der Website, die Aufstockung des Werkzeugbestands und für ein Helferessen auf, das einmal jährlich stattfindet. Auch dort herrsche immer eine gute Stimmung und natürlich ein reger Austausch über das allgemeine Reparatur-Geschehen. «Das Essen muss sein. Hier geht es um Wertschätzung dafür, was die Leute alles ehrenamtlich leisten.» Das Repair-Café ist kein Verein, sondern lediglich eine Interessengemeinschaft, die Mitglied bei der Dachorganisation der Schweizer Repair-Cafés ist. «Dort gibt es jährlich einen Weiterbildungs- und Austauschanlass für interessierte Reparateure», sagt Béa Bieber, die das sehr schätzt. Und übrigens hatte auch die coronabedingte Auszeit ihr Gutes: Weil das Repair-Café nicht physisch stattfinden konnte, durften defekte Geräte und Gegenstände bei der Altstadtpapeterie Jäger vorbeigebracht werden. «Diesen Service können wir auch nach der Coronazeit aufrechterhalten», sagt Béa Bieber und verweist auf das Angebot auf der eigenen Website, wo auch andere Informationen zu finden sind:
www.repaircafe-rheinfelden.ch