(af) Am Sonntag, 19., und Dienstag, 21. Oktober, gab der Gospelchor Rheinfelden unter Leitung von Akira Tachikawa in der reformierten Kirche Rheinfelden sein Jahreskonzert. Es stand unter dem Thema «Lean on me» und umfing Songs aus den dreiunddreissig Jahren, die der Chor inzwischen besteht.
Ob das klar sei, fragt Akira Tachikawa das in grosser Zahl erschienene Publikum mit gespielter Strenge. Es solle bei der Melodie bleiben, der Chor mache etwas anderes. Nach dem Probedurchlauf zeigt er sich zufrieden: «Das war schön», sagt er mit seinem sympathischen japanischen Akzent, «suuuper». Das Publikum lacht, der Chor ebenfalls, die Stimmung ist heiter. In jedem der vier Blöcke gibt es einen Song, bei dem die Zuhörer zum Mitsingen eingeladen werden. Es sind bekannte, eingängige Lieder wie «We shall overcome».
Teils komplexe Arrangements
Die Gospels, welche der Chor vorträgt, sind hingegen zum Teil komplex arrangiert. Manche gehen zurück auf Chester Gill (1928-2003), den charismatischen, aus der Karibik stammenden Gründer und ersten Dirigenten des Gospelchors. Nach Gills Tod übernahm Christoph B. Herrmann die Singgemeinschaft und leitete sie bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2019. Auch auf ihn gehen zahlreiche Arrangements aus dem Repertoire zurück. Bei den Aufführungen ist hörbar, dass viele der Sängerinnen und Sänger schon seit den Anfängen dabei sind. Sie kennen die alten Lieder auswendig und singen sie wirklich by heart, aus ganzem Herzen.
Selbst gehäkelte Glückswürmchen
Dass der Chor indessen nicht in nostalgischen Erinnerungen schwelgt, dafür sorgt der aktuelle Dirigent. Seine Arrangements fordern die Mitglieder; am Schluss wird ihm für seine Geduld und Beharrlichkeit in den Proben gedankt. Auch Akira Tachikawa ist mit Herzblut bei der Sache, das sieht man seinem ebenso präzisen wie leidenschaftlichen Dirigat an. Im Refrain des letzten und anspruchsvollsten Songs, einem von Tachikawa arrangierten Anbetungslied, heisst es: «Ich gebe dir mein Leben, meine Liebe, mein Alles.»
Hohe Identifikation
Die hohe Identifikation der Sängerinnen und Sänger mit ihrem Chor zeigt sich noch einmal beim Ausgang. Da wird allen Besuchenden der Konzerte ein selbst gehäkeltes «Glückswürmchen» überreicht. Auf dem beiliegenden Zettel ist zu lesen: «Ich bin das Würmchen vom Gospelchor / und setzte mich heute in dein Ohr». Am Schluss des Gedichts wünscht das Würmchen viel Glück, in einem Jahr sei es zurück. Thema des Konzerts ist ein Song des US-amerikanischen Songwriters Bill Withers: «Lean on Me». Peter Bretscher, Moderator und Urgestein im Tenor, erläutert die Bedeutung des Lieds: «Lehne dich an mich an», sagt er, das heisse: «Ich helfe dir tragen, wenn du die Kraft nicht mehr hast». «Lean on Me» sei als das «christlichste säkulare Lied des zwanzigsten Jahrhunderts» bezeichnet worden.
Kanaan als Codewort für Kanada
Überhaupt sind die Ansagen von Bretscher interessant und informativ. «Down in the River to Pray», führt er aus, sei ursprünglich ein Stammeslied von amerikanischen Ureinwohnern gewesen und nachträglich christlich adaptiert worden, und «I’m on my Way to Canaanland» singe von der Flucht in die Freiheit, wobei «Kanaan» ein Codewort für Kanada sei, also ein Land, wo es keine Sklaverei gebe.
Der Chor singt teilweise a capella, manche Lieder begleitet der Kirchenmusiker der reformierten Kirchgemeinde Region Rheinfelden, Rani Orenstein, auf dem Klavier, und zwischendurch lässt die Flötistin und Oboistin Ayelet Karni ihre Instrumente erklingen. Am Schluss gibt Peter Bretscher den bei solchen Konzerten oft zu hörenden Hinweis: «Wenn jemand Lust bekommen hat, bei uns mitzumachen, ist er oder sie herzlich willkommen!» Der Gospelchor Rheinfelden hat, wie viele Chöre, Nachwuchssorgen. Dass er aber pulsiert, lebt, begeistert, das ist an diesem Abend hör- und spürbar.
Die Kollekte beider Konzerte geht gemäss demokratischem Beschluss der Chormitglieder an den Verein «Freiwilligenarbeit Asyl Kaiseraugst»; sie wird von dessen Präsidentin Cécile Cassini angekündigt.