Dass die Musikgesellschaft (MG) Möhlin gerne mal in grösseren Dimensionen denkt, weiss man spätestens seit der Ausrichtung des Kantonalen Musiktags im Jahr 2019. Mit dem Projekt, das Musical «Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer» auf die Bühne zu bringen, hat sich die MG nun das nächste Grossprojekt vorgenommen. Die Musik ist noch nicht fertig arrangiert und die Rollen noch nicht besetzt, aber die öffentliche Generalprobe ist jetzt schon auf den 8. Juni terminiert. Sechs Vorstellungen sind vom 10. bis zum 16. Juni geplant. Klingt verrückt – ist es vielleicht auch. «Bei der Musikgesellschaft Möhlin ist man aber viel Arbeit gewohnt, erklärt OK-Präsidentin Denise Schleuniger dazu.
JÖRN KERCKHOFF
Um genau zu sein, teilt sich Denise Schleuniger die Aufgabe der OK-Präsidentschaft mit ihrem Mann Nick. «Papa ist der Prä- und Mama die -sidentin», beschreibt Sohn Glenn die Aufgabenteilung der beiden. «Nick ist als ehemaliger Berufsmusiker für die Abteilung Produktion und als Ideenlieferant zuständig, ich für die Abteilung Allgemeines», präzisiert Denise Schleuniger. Zum fünfköpfigen Führungsteam gehören auch noch Dirigent Markus Tannenholz, studierter Trompeter und Musiklehrer, Max Leemann, Ehrenpräsident und Hansdampf in allen Gassen der MG, und Roland Graf – ausgebildeter Schauspieler und Regisseur und Präsident des Theater-Vereins Magden.
Schon etwas verrückt
Denn diesmal geht es nicht nur ums Musizieren, wie bei den meisten Anlässen in der 160-jährigen Geschichte der Musikgesellschaft Möhlin – diesmal geht es auch noch um Schauspiel und Gesang. «Eine ganz neue Herausforderung für die MG, der wir uns gerne stellen», sagt Denise Schleuniger dazu. Und ja, ein wenig verrückt sei das schon, geben die Verantwortlichen zu. «Für etwa 80 Prozent der Ideen, die wir haben, gibt es auch schon Lösungen», berichtet Nick Schleuniger. Und Roland Graf ergänzt: «Für jedes Problem gibt es eine Lösung. So eine Produktion ist ein dynamischer Prozess, da entwickelt sich alles, bis es am Ende passt.»
Die Zuversicht, dass sie diese Mammutaufgabe stemmen können, schöpfen die Macher auch aus dem Wissen, dass sie sehr viele Unterstützer innerhalb und ausserhalb von Möhlin haben – etwa das Lehrertheater Möhlin, von dem sich die MG eine Menge Technik ausleihen kann – die sich alle dafür einsetzen werden, Jim Knopf, den Drachen Frau Mahlzahn und auch Emma, die Lokomotive, auf die Bühne zu bringen. Ja, es soll tatsächlich eine Lokomotive durch die Mehrzweckhalle Fuchsrain rollen. Mit dem Bau der Lokomotive ist Max Leemann derzeit beschäftigt. «Das ist ein altes Posttöffli», zeigt Leemann das, was einmal wie eine Lokomotive aussehen soll. Im Moment braucht man noch eine Menge Fantasie, um sich das kleine Elektrogefährt als Dampflokomotive vorstellen zu können, aber ohne jede Menge Fantasie wäre dieses Projekt für einen kleinen Dorfverein wie die MG Möhlin wohl auch kaum vorstellbar.
«Die Lokomotive soll durch die Halle fahren», erklärt Regisseur Roland Graf. Ausserdem sind mehrere Bühnenbilder geplant: Natürlich die Insel Lummerland, ausserdem Reiseszenen auf dem Weg nach China und in die Drachenstadt und dann noch China und die Drachenstadt selbst. Während Lummerland permanent aufgebaut sein wird, werden die anderen Bühnenbilder immer wieder gewechselt – teilweise sogar während die Vorstellung läuft.
Noch knapp sieben Monate Zeit
Die Bühnenbilder müssen noch gebaut werden, die Musik muss noch für eine Blasmusik arrangiert werden, Sponsoren müssen gesucht werden – die Macher rechnen mit etwa 40 000 Franken Kosten, Kostüme und Requisiten müssen gebastelt und geschneidert werden und ganz nebenbei müssen auch noch die Schauspieler und Sänger für 14 grössere und einige kleinere Rollen gefunden werden. Für das alles und für das Einstudieren des Musicals bleiben allen Beteiligten noch knapp sieben Monate.
Für die Besetzung der Rollen findet am 10. Dezember in der Aula Storenboden ein Vorsprechen/Vorsingen statt. Dazu ist jeder eingeladen, der sich berufen fühlt, Jim Knopf, Lukas, Frau Waas, Prinzessin Li-Si oder eine der anderen Rollen zu spielen und zu singen. Mitbringen sollen die Teilnehmer dazu eine Anmeldung, die auf der Homepage www.mg-moehlin.ch zu finden ist.
Jim Knopf ist in der Vorlage von Autor Michael Ende aus dem Jahr 1960 und auch in dem Musical von Jörg Schneider und Emil Moser von 1971 ein dunkelhäutiger Junge. Wie will die Musikgesellschaft Möhlin diese Rolle? Immerhin wird seit einigen Jahren selbst bei den Sternsingern darauf verzichtet, ein Kind schwarz zu schminken, um den früher üblichen schwarzen König darzustellen – ob dies nun Caspar, Melchior oder Balthasar ist, ist übrigens nicht völlig klar – weil dies inzwischen als rassistisch gilt. Das gleiche Problem gibt es bei der Besetzung der Rollen des Kaisers von China und Prinzessin Li-Si.
Muss Jim Knopf schwarz sein?
«Wir haben uns schon Gedanken dazu gemacht», erzählt Roland Graf. «Wären wir an einer grossen Bühne, könnte man vielleicht ganz bewusst die Darsteller anmalen, um dies auch als Provokation einzusetzen und damit die Frage aufzubringen, warum dies rassistisch sein soll. Bei einem Dorfverein wie der Musikgesellschaft Möhlin ist es nicht angebracht, diese Diskussion aufzumachen», so Graf. «Jim Knopf wird sicher schwarz im Gesicht sein vom Russ – wie es sich für einen Lokomotivführer gehört», ergänzt Denise Schleuniger. «Eigentlich ist es für die Geschichte auch gar nicht so wichtig, welche Hautfarbe Jim Knopf hat», ist Roland Graf überzeugt.
So wichtig, wie das, was auf der Bühne passiert, ist auch das ganze Drumherum. Das wird die MG Möhlin nicht allein stemmen können, auch wenn pro Vorstellung nur jeweils etwa die Hälfte der 48 Musiker im Orchester aktiv sein wird. «Alle anderen werden aber auch eine Aufgabe haben», so Denise Schleuniger. Dazu kommen Familienangehörige, Freunde und Bekannte, die die MG bei ihrem Riesenprojekt unterstützen werden. Die Bewirtung der Gäste in und vor der Halle will die MG an andere Vereine vergeben. «Die können diesen Teil dann auf eigene Rechnung übernehmen», erklärt die OK-Präsidentin. Auch über das Anheuern professioneller Food Trucks denkt man im OK nach.
Ohne Sposoring nicht machbar
Und dann ist da noch das Sponsoring, ohne das die Musical-Woche der Musikgesellschaft Möhlin nicht funktionieren wird. «Wir hoffen natürlich darauf, dass Firmen einsteigen. Denkbar wäre sogar, dass eine Firma eine ganze Vorstellung kauft, die Karten dann an Kunden oder Mitarbeiter vergibt, oder Schulklassen einlädt», erzählt Denise Schleuniger, was alles möglich ist. Für die sechs Vorstellungen – darunter Abend-, Familien-, Kinder- und Schülervorstellungen – hoffen die Macher auf insgesamt 1500 Besucher. Die Rechnung, die das Ok aufmacht, ist ganz einfach: «Möhlin hat 11 500 Einwohner. Wenn jeder vier Franken spendet und mindestens jeder zehnte eine der Vorstellungen besucht, passt es. Und wenn mehr Leute das Musical sehen wollen, geben wir halt noch Zusatzvorstellungen.»