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Der Künstler Sylvain Bouillard mit seinem Kruzifixgemälde aus einer Million Kringeln. Foto: zVg
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Humor im Anblick des Kreuzes: Bilder von Art-brut-Künstler Sylvain Bouillard im ref. Kirchgemeindehaus Kaiseraugst

(fia) In den letzten Tagen der Passionszeit bis am Ostermorgen hingen im reformierten Kirchgemeindehaus Kaiseraugst ein Kreuzweg und ein Kruzifix des französischen Art-brut-Künstlers Sylvain Bouillard.

Die Vernissage wurde von Pianistin Assel Abilseitova eröffnet mit dem «Waltz of Rainbow Coloured Roses» («Walzer von regenbogenfarbenen Rosen»), einem Stück des zeitgenössischen japanischen Komponisten Takashi Yoshimatsu. Obwohl Sylvain Bouillard oft schwarzweiss malt und das Blumensujet meidet, passt der Titel zu den kindlich-spontanen, im besten Sinne «naiven» Bildern, in denen trotz der düsteren Thematik immer wieder Humor aufblitzt.
In seinen einführenden Worten verwies der Künstler denn auch auf Kreuzwege in südlichen Ländern, die nicht schwer und ernst, sondern heiter sind. Auf die Frage, worum es ihm in seiner Arbeit gehe, antwortete er: «Ich suche das perfekte Werk.» Welches seiner Bilder der angestrebten Perfektion am nächsten komme, wurde er gefragt. Darauf rollte er feierlich ein riesiges Kruzifixgemälde auf dem Altar im Kirchenraum aus. Es besteht aus tausenden – «eine Million sind es», behauptet Bouillard – Kringeln. Er hat sie in stundenlanger Arbeit, oft auf den Knien, gemalt.

Ausstellungsbesucher bewundern das Kruzifixgemälde. Foto: zVgDas Geheimnis des Karfreitags
Darauf nahm Pfarrer Andreas Fischer im Gottesdienst an Karfreitag Bezug. Das Passionslied an sich, «O Haupt voll Blut und Wunden», erläuterte er, gehe zurück auf einen lateinischen Hymnus, welcher die «membra Christi», die Glieder des Gekreuzigten besingt. Fischer betonte, dass ihm die mittelalterliche Meditationspraxis, sich meditativ in die Füsse, Knie, Hände, die Seite, die Brust, das Herz und das «Haupt voll Blut und Wunden» Jesu hinein zu versenken, grundsätzlich fremd sei. Doch sei sie ihm durch den Kruzifix von Bouillard auf überraschende Weise nahe gekommen. In der Predigt sagte er: «Der Kruzifix wirkt, anders als das Lied ‚O Haupt voll Blut und Wunden‘, nicht qualvoll, Bouillard selber sagt, es gebe in dem Bild auch ein humoristisches Element. Tatsächlich: da kriecht eine bunte Schlange mitten durchs Bild, die Paradiesfrüchte sind abgebildet, auch sie bunt. Schlange und Früchte symbolisieren den Sündenfall, die Ur-Trennung, die Entfremdung von Gott. Sie ist aufgehoben im Gekreuzigten, in dem Gott selber hinabsteigt, hineingeht bis in die tiefsten Tiefen des Menschseins.
Es ist dieses Geheimnis, in das hinein sich Sylvain Bouillard beim Malen seiner Kringel auf den Knien vertieft hat. Es ist dieses Geheimnis, in das hinein sich die mittelalterliche Mystik vertieft hat, wenn sie die Glieder des Gekreuzigten meditierte. Es ist das Geheimnis des Karfreitags.»

Kunst vom Rand
Auch in der Auferstehungsfeier am frühen Ostermorgen war die Ausstellung Thema. Dort verwies Andreas Fischer auf die merkwürdige Aufforderung des Engels an die Frauen beim leeren Grab: Sie sollen nach Galiläa gehen, dort werden sie den Auferstandenen sehen. Was die Chiffre «Galiläa» bedeutet, erläuterte Fischer so: «Galiläa, aus der Perspektive Jerusalems, ist das Niemandsland im Norden. Galiläa, nicht Jerusalem, der Rand, nicht das Zentrum ist also der Ort, wo der Auferstandene erscheint. Von dort her taucht das Licht auf.»
Dieser Gedanke, fuhr Fischer fort, passe zur Kunst von Sylvain Bouillard. Art brut sei nicht «nur» Kunst von psychisch Kranken und geistig Behinderten, sondern insgesamt von Marginalisierten, von Randständigen. Deshalb sei auch das Schaffen dieses bewusst am Rand der Gesellschaft lebenden Künstlers Art-brut: «Es ist, mit dem Evangelium gesagt, Kunst, die in ‚Galiläa‘ – das heisst: am Rand – entsteht. Dort, wo wir einst den Auferstandenen sehen werden.»
Zum Ausklang der Auferstehungsfeier, mit der die Ausstellung endete, spielte Assel Abilseitova noch einmal den österlich heiteren «Walzer der regenbogenfarbenen Rosen».

Bild:
Der Künstler Sylvain Bouillard mit seinem Kruzifixgemälde aus einer Million Kringeln.
Ausstellungsbesucher bewundern das Kruzifixgemälde.
Fotos: zVg