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Mal Rennfahrerin (Startnummer 8)..., Foto: Jörn Kerckhoff

Kann man zu viel Talent haben? Die zwölfjährige Victoria Philipp steht vor einer ganz schweren Entscheidung

Es war die erste Saison bei den Super-Minis in der Schweizer Kartmeisterschaft für die zwölfjährige Victoria Philipp aus Gipf-Oberfrick. Technische Probleme zum Saisonbeginn und die eigene Unerfahrenheit bremsten die Nachwuchsfahrerin an den insgesamt fünf Rennwochenenden ein paarmal aus, insgesamt ist sie mit Rang zehn unter 22 Fahrern im Schlussklassement aber durchaus zufrieden. Damit darf sie am 6. November im Verkehrshaus Luzern dabei sein, wo die Preisverleihung zur autobau Schweizer Kart-Meisterschaft stattfindet. Und im kommenden Jahr will Victoria auf jeden Fall wieder angreifen.

JÖRN KERCKHOFF

Sie ist ein kleines Supertalent – eine Tatsache, die der Zwölfjährigen selbst vielleicht noch gar nicht so bewusst ist. Das Talent für Sprachen wurde ihr quasi in die Wiege gelegt: Ihre Mutter Emmy stammt aus Taiwan, ihr Vater Christian ist Pilot, da gehören neben Deutsch auch Mandarin und Englisch zu den Sprachen, die im Hause Philipp gesprochen werden. In der Schule kommt Französisch dazu.

Die rennfahrende Eiskunstlauf-Karatekamal Eisprinzessin..., Foto: zVg
Und auch sportlich ist Victoria alles andere als einseitig unterwegs. Neben dem Kartsport macht sie nämlich auch noch Eiskunstlauf und Karate. Im Eiskunstlauf hat sie am vergangenen Wochenende den Inter-Silber-Test bestanden, der ihr nun bessere Trainingszeiten ermöglicht. Am 27. November steht in Grindelwald der nächste Wettbewerb auf dem Eis an. Zuvor wird sie am 12. November noch bei den Schweizer Meisterschaften im Karate in Niederbipp mit dabei sein – Victoria Philipp ist die rennfahrende Eiskunstlauf-Karateka.
Bislang macht ihr die Belastung durch die drei Sportarten und der Schule, die sie ganz nebenbei auch noch macht, offenbar nichts aus. Kartfahren im Sommer, Eiskunstlauf im Winter, Karate das ganze Jahr. Besonders im Eiskunstlauf und im Karate kommt es natürlich auf ein gutes Körpergefühl, auf die Fähigkeit zur Konzentration und auf mentale Stärke an. Gewisse Trainingsinhalte überschneiden sich da sogar, was natürlich praktisch ist. Und die drei Eigenschaften, die sie in den beiden körperbetonten Sportarten braucht, kommen ihr auch im Kartsport zugute.
Am letzten Rennwochenende, Anfang Oktober in Wohlen, waren die Bedingungen nicht einfach: Mal Regen, mal Sonne machten es den jungen Fahrern nicht leicht auf der engen, kurvenreichen Strecke. Da musste die Abstimmung passen und bis kurz vor dem Start der insgesamt drei Rennen wurde gepokert, ob nun mit Trocken- oder Regenreifen gestartet würde. Mit den falschen Reifen hätte man keine Chance auf eine gute Platzierung – so viel war klar. Die Reifenwahl passte bei Victoria, mit der Übersetzung des Motors haderte Christian Philipp nach dem Wochenende etwas. «Im Training hatte ich den Motor anders übersetzt, da war Victoria eine Sekunde pro Runde schneller. Das war wahrscheinlich mein Fehler», gibt Papa-Philipp, gleichzeitig Chefmechaniker von Victoria, zu.
Wie professionell der Rennsport auch bei den Jüngsten schon betrieben wird, wurde in den Pausen deutlich. Da sass Victoria ganz in sich gekehrt da und machte sich Notizen. «Ich habe aufgeschrieben, wie ich mir das Rennen einteile und an welchen Stellen ich am besten überholen kann», erzählte sie später.

mal Karatekämpferin – Victoria Philipp hat viele Gesichter. Foto: zVgManchmal zu brav am Start
Dass Victoria beim Start häufig etwas zu brav agiert, muss sie auf ihre eigene Kappe nehmen. Da verliert sie oft ein paar Plätze und damit ihre im Training erkämpften guten Aussichten für das Rennen. Auf der Strecke zeigt die zierliche Rennfahrerin dann aber, was in ihr steckt. Auch in Wohlen machte sie in jedem Rennen Platz um Platz gut. Nach den Plätzen elf und zehn in den ersten beiden Rennen holte Victoria sich im Finale in Wohlen den siebten Platz – ihr bestes Saisonergebnis.
In ihrem ersten Interviev - auch mit fricktal.info - hatte Victoria im Januar erklärt: «Ich möchte am Ende der Saison auf Platz fünf oder sechs in der Abschlusstabelle liegen.» Dieses Ziel hat sie verpasst. Zufrieden ist sie aber trotzdem. «Ich habe eine Menge gelernt in dieser Saison», blickt sie auf die vergangenen Monate zurück.
Mit ihren zwölf Jahren ist Victoria eigentlich eine Spätstarterin in den Rennzirkus. Die Klasse der Super-Minis beginnt mit acht Jahren, mit zwölf steht man da schon vor dem Sprung in die nächsthöhere Altersklasse. «Wir wollen aber den Antrag stellen, dass sie noch eine Saison bei den Super-Minis starten darf», erzählt Christian Philipp. Die Entscheidung darüber wird wohl im Frühling fallen.

Wie soll es sportlich weitergehen?
Im Frühling muss sich Victoria dann auch wohl entscheiden, wie es für sie im Sport weitergehen soll. Im kommenden Jahr kommt sie nach den Sommerferien in die Oberstufe. Das bedeutet, dass die Schule einen grösseren Raum einnehmen wird. «Wenn sie dann noch eine Sportart auf einem höheren Niveau betreiben will, wird sie sich wohl zwischen Eiskunstlauf und Kart entscheiden müssen», ist Christian Philipp überzeugt. Karate könne sie sicher beibehalten, aber Eiskunstlauf und Kart nähmen doch jeweils für sich so viel Zeit in Anspruch, dass es schwierig sein dürfte, beides weiterzuverfolgen – wenn sie denn eines ihrer Talente ambitioniert verfolgen wolle. «Ich bin froh, dass ich diese Entscheidung nicht treffen muss», gibt Christian Philipp zu und macht deutlich, dass diese Entscheidung nur Victoria alleine treffen kann. Natürlich könne sie auch alle drei Sportarten weitermachen, dann aber wohl eher auf der Hobby-Basis.
Victoria liebt das Kartfahren, das Eiskunstlaufen und auch das Karate. Vor allem Eiskunstlauf oder Kart aufgeben zu müssen, kann sie sich gerade noch gar nicht vorstellen und beim Gedanken, sich für eines von beidem entscheiden zu müssen, vergräbt sie das Gesicht in den Händen. «Natürlich sind wir froh, dass Victoria so viele Talente hat», sagt Vater Christian. «So wird sie nie in ein Loch fallen, wenn sie eine der Sportarten aufgibt. Aber sich jetzt für eines entscheiden zu müssen, um das andere dann vielleicht professionell betreiben zu können, ist natürlich wahnsinnig schwer für sie.»

Wer die Wahl hat, hat die Qual
Sechs Mal pro Woche steht im Moment das Eistraining auf dem Programm, dazu kommt zweimal pro Woche das Karatetraining. Die Rennsaison ist nun erst einmal vorbei, will Victoria im Rennsport weiterkommen, muss sie künftig aber wohl an mehr als nur einer Rennserie teilnehmen müssen. Wo andere Menschen sich fragen, welche Talente sie eigentlich haben, kann die Zwölfjährige wählen, welches ihrer zahlreichen Talente sie ausleben möchte. Aber die Entscheidung für das eine und gegen das andere treffen zu müssen, kann da eben auch hart sein.
Nach dem ersten Interview mit fricktal.info wurden übrigens auch andere Zeitungen und sogar ein regionaler Fernsehsender aufmerksam auf Victoria. «Das hat schon Spass gemacht», erzählt sie mit einem Lächeln im Gesicht. Die Gefahr, dass sie bei all dem Rummel um sie herum abhebt, scheint bei ihr aber überhaupt nicht zu bestehen.

Bilder: Mal Rennfahrerin (Startnummer 8)...,
mal Eisprinzessin...,
mal Karatekämpferin – Victoria Philipp hat viele Gesichter. Fotos: JörnKerckhoff / zVg