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Wenn’s um Tunnelbau geht, gibt es praktisch nichts, was Markus Basler nicht weiss. Foto: Sabrina Basler
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Tunnelbauer aus Leidenschaft – Markus Basler aus Bözen ist Werkstattchef auf der Gotthardtunnel-Baustelle

Markus Basler aus Bözen arbeitet seit 27 Jahren im Tunnelbau. Heute ist er Werkstattchef auf der Gotthard-Baustelle in Göschenen für über 100 Maschinen verantwortlich – und stolz auf das, was er mit seinem Team leistet.

SONJA FASLER

 Vor der gigantischen Tunnelbohrmaschine «Alessandra», die sich täglich bis zu 20 Meter durchs harte Gotthard-Gestein fräst. Foto: Nicole HübnerSonntagnachmittag in Bözen: Markus Basler sitzt entspannt im Garten seines Hauses an der Oberdorfstrasse. Anstelle des orangen Arbeits-Overalls trägt er Freizeitkleidung. Am Montagfrüh geht’s wieder in den Stollen. Als Werkstattchef auf der Tunnelbaustelle der zweiten Gotthardröhre ist er zwar selten tief im Berg, dafür draussen umso präsenter: in Werkstatt und Büro.
Seine Leidenschaft für den Tunnelbau zeigt sich auch im Garten: Hinter dem Haus verbirgt sich ein kleines Familienprojekt – ein etwa acht Meter langer Mini-Tunnel, erstellt mit Baugenehmigung versteht sich. «Meine Kinder hatten den Plausch mitzuhelfen», erzählt Basler. An heissen Tagen herrscht darin ein angenehm kühles Klima, genutzt wird er hauptsächlich als Lagerraum.

Was aussieht wie eine Raumstation ist die Kommandozentrale der «Alessandra». Foto: Nicole HübnerSeit 27 Jahren im Tunnelbau
Markus Basler ist gelernter Landmaschinenmechaniker. Die Tunnelwelt betrat er 1998 eher zufällig: «Ich war auf Jobsuche. Tunnelbauer, die am Bözberg-Strassentunnel arbeiteten, und die ich im hiesigen Restaurant traf, sagten mir: ‹Komm doch zu uns, wir suchen immer Mechaniker.› Ich stellte mich vor, und es hiess: Du kannst sofort anfangen.» Seither ist er dem Tunnel treu geblieben – zuerst beim Zimmerberg-Basistunnel, dann am Uetlibergtunnel. Diverse weitere Baustellen folgten, bis er 2016 am Bözberg-Eisenbahntunnel in nächster Nähe und dann noch am Kerenzerbergtunnel arbeitete, bis es nach Göschenen an den Gotthard ging.

Das geschieht, wenn man die Arbeit mit nach Hause nimmt: Markus Basler mit seiner Frau Sabrina und der Heiligen Barbara in der Hand im hauseigenen Tunnel. Foto: Sonja Fasler«Maschine ist Maschine», sagt der 50-Jährige schulterzuckend. Zwar seien die Maschinen im Tunnelbau zum Teil komplexer, aber das Grundprinzip sei ähnlich. Heute steckt allerdings in jeder Baumaschine viel Elektronik: «Wir können vieles selbst reparieren, aber bei gewissen Hightech-Geräten brauchen wir externe Spezialisten.»
Als Werkstattchef ist er für mehr als 100 Fahrzeuge zuständig: Bagger, Dumper, Pneulader, Bohrjumbos, dazu über 70 Geräte wie Abbauhämmer oder Kompressoren. Seit 27 Jahren arbeitet er im Tunnelbau, kennt viele Maschinen inzwischen fast auswendig. «Ich bin dafür verantwortlich, dass die alle laufen.» Die Tunnelbohrmaschine (TBM) ist ausgenommen: «Die betreut ein eigener Maschinenmeister. Die TBM ist wie eine kleine Fabrik für sich.» Das riesige Gerät ist über 100 Meter lang, über 12 Meter hoch und breit und trägt den Namen «Alessandra». «Es ist üblich, dass die TBM einen Frauennamen bekommen, in diesem Fall den Vornamen der Tochter des Baustellenchefs», verrät Basler.

Als Werkstattchef ist er für alle Maschinen verantwortlich, die sich im Gotthardtunnel bewegen, ausser für die TBM. Foto: Nicole Hübner«Ich war auf früheren Baustellen auch für die TBM zuständig, aber beim Gotthard ist die Baustelle zu gross.» Aktuell arbeiten rund 200 Menschen dort. «Wir Mechaniker sind zu acht, dazu kommen Elektriker und viele weitere Fachleute.» Gearbeitet wird im Vierschichtbetrieb, rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Basler selbst arbeitet meist tagsüber, zehn bis zwölf Stunden mit Pausen dazwischen: «Ich bin selten im Tunnel, mein Bürocontainer ist draussen, direkt bei der Werkstatt.» Die Mechaniker hingegen verbringen viel Zeit im Berg. «Für Service oder grosse Revisionen bringen wir die Maschinen raus. In der Werkstatt ist man besser eingerichtet.»
Wie es ist, unter tausend Metern Gestein zu arbeiten? «Man muss Vertrauen haben. Angst ist fehl am Platz, aber Respekt ist wichtig», sagt Markus Basler, der eine grosse Gelassenheit ausstrahlt. Die grösste Gefahr gehe allerdings nicht von der Geologie aus, sondern von den Maschinen: «Ein Moment Unachtsamkeit reicht.» Bisher sei man aber glücklicherweise von Unfällen verschont geblieben.
Der Gotthardtunnel wird gleichzeitig von Norden und Süden her gebaut. Im Norden arbeiten Implenia und Frutiger, im Süden die Firma Marti. «Vom Süden her gibt’s momentan Probleme. Die Geologie ist schlecht.»
Täglich schaffen die Arbeiter mit der TBM etwa zehn bis zwanzig Meter, beim Sprengvortrieb ca. zwei Meter. «Zurzeit sind wir etwa vier Kilometer im Berg. In einer Störzone. Die kannte man schon vom ersten Tunnel, aber es gibt immer Überraschungen.»

Eindrücklich – die TBM Alessandra. Foto: Sonja FaslerInternationales Teamwork
Tunnelbau ist internationales Teamwork: «Bei uns in der Werkstatt ist nur ein junger Schweizer und sonst sind fast alle Italiener. Die Tunnelbauer sind österreichisch, portugiesisch, deutsch, spanisch…» Die Hauptsprache im Tunnelbau sei Italienisch. Im Gotthard spreche man vor allem Deutsch und Italienisch: «Mein Italienisch reicht für die Arbeit und für die Pizza-Bestellung», sagt Basler und lacht.
Dass kaum Schweizer dabei sind, habe verschiedene Gründe: «Viele wollen abends zu Hause sein, nicht im Schichtbetrieb arbeiten», vermutet er. Der Lohn sei dafür attraktiv: «Als Mechaniker verdienst du hier besser als in einer üblichen Landmaschinen- oder Auto-Werkstatt. Dazu gibt’s Tunnelzulagen und Spesen-Vergütungen.»

Auch die Kollegen vom Kuba-Club aus Böztal waren einmal zu Besuch im Tunnel. Foto: zVgZweite Heimat
In Göschenen hat Basler eine Zweitwohnung und ist Wochenaufenthalter: «Am Montagmorgen fahre ich los, komme Mittwochabend heim, Donnerstagmorgen um halb Fünf, damit ich nicht in den Stau gerate, wieder hin und Freitagabend zurück.» Ehefrau Sabrina, selbstständige Polygrafin, besucht ihn gelegentlich: «Für mich ist es fast wie eine Ferienwohnung», sagt sie. Auch die Kinder Jan (21) und Maja (19) waren schon zu Besuch.
«Wir haben uns mit Markus’ Beruf arrangiert», sagt Sabrina Basler. «Manchmal war es schon schwierig, vor allem mit kleinen Kindern. Aber lieber ein Mann, der halt nicht jeden Abend, dafür zufrieden von der Arbeit nach Hause kommt.»
Göschenen ist ihnen ans Herz gewachsen: «Der Ort liegt zwar direkt an der Gotthardroute, aber man nimmt ihn kaum wahr – weder vom Pass noch vom Tunnel aus. Dabei ist die Umgebung hier oben wunderschön. Wir haben viele Leute kennengelernt, waren schon an Dorffesten und einmal zu Gast an einer Gemeindeversammlung. Der Coop wäre ohne Baustelle wohl längst geschlossen.» Früher habe es im Dorf acht Restaurants gegeben, weiss Basler von Einheimischen. Heute gibt es keines mehr. «Deshalb wurde extra für die Baustelle eine Kantine gebaut, die auch öffentlich zugänglich ist.»
Das gesellschaftliche Leben in Bözen kommt trotzdem nicht zu kurz. «Ich bin noch im Turnverein und seit kurzem noch im Kubaverein. Die Kuba-Vereinsmitglieder haben mich bereits in Göschenen besucht und eine Tunnelführung bekommen.»
Tunnelbesichtigungen macht Basler nur privat, öffentliche Führungen laufen über das ASTRA. «Sabrina war schon da, meine Eltern auch.» Einen guten Eindruck vom Tunnel erhalte man auch, wenn man die Sendung «Mona mittendrin» anschaue, sagt Markus Basler. Die Sendung wurde im April dieses Jahres im Schweizer Fernsehen SRF ausgestrahlt. «Allerdings ohne mich», sagt Markus Basler lachend, er sei während der Dreharbeiten nie vor Ort gewesen.

Die Tunnelbohrmaschine ist ein einziges Labyrinth. Foto: Sonja FaslerKaum bis 2030 dabei
Gefragt, ob er bis zum Ende der Baustelle 2030 bleibt, meint er: «Das ist offen. Meist bin ich nicht bis zum Schluss dabei. Wenn es an den Innenausbau geht, braucht es andere Leute. Vielleicht beginnt dann irgendwo eine neue Grossbaustelle.» Der Tunnel hat im Sommer und zu Weihnachten jeweils zwei Wochen Betriebsferien. «Einige Mechaniker arbeiten freiwillig, weil man dann zu Sachen kommt, für die sonst keine Zeit ist.»
Temperaturen im Berg seien konstant: «Um die 20 Grad, ganz angenehm.» Weiter innen wird es heisser, vor allem bei der TBM: «Da kommt noch die Abwärme der Hydraulik dazu.» Quarzstaub sei die grösste Gefahr: «Der ist unsichtbar, da trägt man Maske.» In Sachen Sicherheit habe man gegenüber früher gewaltig aufgeholt und die Suva schaue genau hin, weiss Basler.
Ein Meilenstein steht noch bevor: der Durchstich in etwa zwei Jahren. «Ich werde dann sicher noch da sein. Das wird schon ein spezieller Moment.»
Tunnelbau ist kein Lehrberuf in der Schweiz. «Viele haben vorher andere Berufe gelernt: Maurer, Elektriker, Mechaniker. Manche kommen aus ganz anderen Branchen, ein Bäcker und ein Coiffeur waren auch schon dabei.»
Frauen sind deutlich in der Minderheit: «Wir haben eine Bauführerin, eine Geologin, Sekretärinnen – aber 99 Prozent sind Männer. Früher sagte man, Frauen bringen Unglück im Tunnel.» Dabei ist die Schutzpatronin, die Heilige Barbara, selbst eine Frau. Ihre Statue steht traditionsgemäss am Tunneleingang. Am 4. Dezember, ihrem Gedenktag, wird gefeiert. «Ein Feiertag für alle. Wer bei der ersten Barbarafeier dabei ist und es gefällt ihm, der bleibt dem Tunnelbau treu, sagt man.»
Er kann dem Tunnelbau viele Vorteile abgewinnen. «Gleichbleibende Temperaturen, kein Regen. Und was man hier baut, bleibt.»

Die Sprengspezialisten bei der Arbeit. Foto: Sonja FaslerWie eine Familie
Viele Kollegen sind unter der Woche in Göschenen, weit weg von ihrer eigentlichen Heimat. «Es ist wie eine zweite Familie», sagt Markus Basler, die Arbeit schweisse zusammen. «Der Tunnelbau ist meine Leidenschaft» Ein Wechsel kommt für ihn nicht infrage. Auch wegen der Altersvorsorge: «Wenn ich zurück in meinen alten Beruf ginge, verlöre ich den Anspruch auf die FAR-Rente.» Die Altersrente ist eine Überbrückungsrente, die von der Stiftung für den flexiblen Altersrücktritt im Bauhauptgewerbe (FAR) gezahlt wird. Sie ermöglicht einen flexiblen Altersrücktritt ab dem 60. Lebensjahr bis zum Erreichen des ordentlichen AHV-Alters. Ob er allerdings mit 60 aufhört oder sein Herz dann vielleicht doch noch an einem neuen Tunnelbau-Projekt hängt, das er noch beenden will, ist noch offen.

Das fricktal.info-Team war beeindruckt von den gigantischen Ausmassen der Tunnelbaustelle. Foto: Nicole Hübner Die zweite Röhre am Gotthard
Der Bau der zweiten Gotthardröhre startete im Jahr 2020, nach der Volksabstimmung vom Februar 2016, welche die nötige Änderung des Alpenverkehrsgesetzes bewilligte. 2020 bis 2022 erfolgten die vorbereitenden Arbeiten, der Aufbau der Infrastruktur- und des Zugangsstollens. Im Sommer 2024 wurden die Tunnelbohrmaschinen montiert. Der Vortrieb begann Anfang 2025. Die TBM haben ca. 12,3 m Durchmesser und über 2000 Tonnen Gewicht. Eine ist von Airolo, eine von Göschenen aus im Einsatz. Sie schaffen durchschnittlich 18 Meter pro Tag und sollen 2027 in der Tunnelmitte zusammentreffen. In geologisch schwierigen Störzonen kommt Sprengvortrieb zum Zug, unterstützt durch kleinformatige TBMs zum Zugang. Tunnelsicherungen mit Spritzbeton, Ankern und Stahlbögen sichern den Ausbruch ab. Die neue Röhre ist 2030 fertig. Anschliessend wird die alte Röhre bis ca. 2033 saniert. Die neue Röhre ist ca. 17 km lang, verläuft etwa 40 Meter östlich des bestehenden Tunnels. Alle rund 250 Meter sind Querverbindungen zu Evakuierung und Infrastruktur vorgesehen. Die Projektkosten betragen voraussichtlich ca. 2,14 Milliarden Franken. Etwa 6,3 Millionen Tonnen Aushubmaterial fallen an. Die Hälfte wird zur Landschaftsverbesserung verwendet – u. a. zwei Millionen Tonnen für Ausgleichsmassnahmen im Urnersee und in Airolo. Das überschüssige Material wird teilweise per Bahn – durch den alten Gotthardtunnel – nach Flüelen transportiert. Ökologische Massnahmen wie Autobahnüberdeckung (160 000 m² neuer Grünfläche) und Renaturierungsprojekte sind Teil des Gesamtplans. Der bestehende Tunnel bleibt während der gesamten Bauzeit in Betrieb, baulich und sicherheitstechnisch strikt getrennt von der neuen Röhre. ASTRA überwacht laufend Erschütterungen und mögliche Setzungen in der alten Röhre. Nach Fertigstellung verläuft der Verkehr jeweils einspurig pro Richtung, mit permanentem Pannenstreifen. Das derzeitige Dosiersystem bleibt bestehen: maximal 1000 Personenwagen bzw. 60–150 Lastwagen pro Stunde und Richtung. Quelle: ASTRA

Erstes Bild: Wenn’s um Tunnelbau geht, gibt es praktisch nichts, was Markus Basler nicht weiss. Foto: Sabrina Basler 
Zweites Bild: Seit 27 Jahren arbeitet Markus Basler im Tunnelbau. fricktal.info hat ihn zuhause in Bözen besucht und erhiehlt die Gelegeheit für einen Augenschein auf der eindrücklichen Baustelle im Gotthard. Unser Bild: Vor der gigantischen Tunnelbohrmaschine «Alessandra», die sich täglich bis zu 20 Meter durchs harte Gotthard-Gestein fräst. Foto: Nicole Hübner
Drittes Bild: Was aussieht wie eine Raumstation ist die Kommandozentrale der «Alessandra». Foto: Nicole Hübner
Viertes Bild: Das geschieht, wenn man die Arbeit mit nach Hause nimmt: Markus Basler mit seiner Frau Sabrina und der Heiligen Barbara in der Hand im hauseigenen Tunnel. Foto: Sonja Fasler
Fünftes Bild: Als Werkstattchef ist er für alle Maschinen verantwortlich, die sich im Gotthardtunnel bewegen, ausser für die TBM. Foto: Nicole Hübner
Sechstes Bild: Eindrücklich – die TBM Alessandra. Foto: Sonja Fasler
Siebtes Bild: Auch die Kollegen vom Kuba-Club aus Böztal waren einmal zu Besuch im Tunnel. Foto: zVg
Achtes Bild: Die Tunnelbohrmaschine ist ein einziges Labyrinth. Foto: Sonja Fasler
Neuntes Bild: Die Sprengspezialisten bei der Arbeit. Foto: Sonja Fasler
Zehntes Bild: Das fricktal.info-Team war beeindruckt von den gigantischen Ausmassen der Tunnelbaustelle. Foto: Nicole Hübner